Staatsanwalt ermittelt Cum-Fake bringt Schaden im hohen Millionenbereich

Frankfurt · Experten sehen im so genannten Cum-Fake-Betrug eine raffinierte Fortführung der Cum-Ex-Geschäfte. Die Staatsanwaltschaft in Köln hat unter anderem gegen Mitarbeiter einer deutschen Bank ein Ermittlungsverfahren wegen Steuervergehen eingeleitet.

Im Fall dieser neuen Betrügereien geht es um so genannte „American Depositary Receipts“, kurz: ADR. Banken hierzulande stellen solche Papiere zu dem Zweck aus, dass Investoren an den Börsen in den USA etwa mit Aktien europäischer Unternehmen handeln können. Diese ADR-Papiere stehen also stellvertretend für ausländische Aktien. Damit das funktioniert, muss jedes Papier mit Aktien oder zumindest Teilen einer Aktie hinterlegt, sozusagen gedeckt sein. Genau das waren sie in diesen Betrugsfällen nicht.

Die Staatsanwaltschaft geht nun der Frage nach, ob in diesen Geschäften „ein weiteres Modell liegen könnte, mit denen illegal die Kapitalertragssteuer ‚gezogen‘ wurde“, sagte der Kölner Staatsanwalt René Seppi. Die ADR-Masche ähnelt den schon vorher bekannten „Cum-Ex-Geschäften“. Bei Cum-Ex-Geschäften geht es um Händel rund um den Stichtag der Dividendenzahlungen von Börsenunternehmen. „Cum“ bezeichnet Aktien mit Dividendenanspruch, „Ex“ die Papiere ohne. Dabei zirkulierten Aktien mit Anspruch auf Dividende rasch unter den Finanzakteuren. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem sie gehörten. So konnten die Steuerbetrüger Bescheinigungen über Kapitalertragsteuern und den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag mehrfach ausstellen.

Die deutschen Behörden haben dieser Möglichkeit 2012 schließlich einen Riegel vorgeschoben. Die nun in Rede stehenden Cum-Fake-Geschäfte kann man als raffiniertere Fortführung des Betrugs verstehen. „Da steckt eine hochgradige kriminelle Energie dahinter“, sagt der Steuerspezialist Christoph Spengel von der Universität in Mannheim.

Schätzungen zu Folge haben die Cum-Ex-Geschäfte ein Loch von mindestens 30 Milliarden Euro in die Kassen des Fiskus geschlagen. Experten gehen davon aus, dass durch den Cum-Fake-Betrug nochmal ein Schaden im hohen dreistelligen Millionenbereich entstanden ist. Ein mögliches Schlupfloch für diese Gelder hat das Bundesfinanzministerium mittlerweile ausgemacht – und es in der vergangenen Woche geschlossen.

Zu spät und zu zögerlich tätig geworden

Das Ministerium erklärt, dass Steuerbescheinigungen ausschließlich für ADR-Papiere ausgestellt werden dürfen, die sich tatsächlich im Depot des jeweiligen Instituts befinden. Zudem muss für sie natürlich die Kapitalertragsteuer auf die dem ADR zugrundeliegende Aktie abgeführt worden sein. Für nicht mit Aktien hinterlegte ADR ist das folglich unzulässig. „Sollten Bescheinigungen dennoch beantragt und ausgestellt worden sein, liegt ein klarer Gesetzesverstoß vor“, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums.

Aus Sicht von Steuerexperte Christoph Spengel ist das Bundesfinanzministerium zu spät und zu zögerlich tätig geworden. „Seit 2002 spätestens lag das Problem von Cum-Ex-Geschäften auf dem Tisch. Ab 2011 hat man dann reagiert, das aber danach offenbar nicht mehr konsequent genug weiter verfolgt“. In diese Kerbe schlägt auch der Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick. „Groß angelegte Steuertricksereien wie Cum-Ex, Cum-Cum und Cum-Fake-Deals werden trotz aller Warnungen und der erschreckenden kriminellen Dimension immer noch auf die leichte Schulter genommen“.

Wegen der nun in Frage stehenden Cum-Fake-Geschäfte ist die amerikanische Börsenaufsicht SEC bereits tätig geworden. Zwei Töchter der Deutschen Bank haben daher im Juli in den USA in einem Vergleich 75 Millionen Dollar gezahlt. Auch die Citibank hat fast 40 Millionen Dollar an die amerikanischen Behörden überwiesen. Aus der Deutschen Bank heißt es, man habe 2014 aufgehört, die umstrittenen ADR um den Dividendenstichtag auszugeben. 2016 habe sich die Bank dann ganz aus diesen Geschäften verabschiedet.

Wegen der neuen Entwicklungen im Cum-Ex-Betrugsskandals ist der Druck auf Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gewachsen. Eigentlich sei jetzt ein unabhängiger Sonderermittler nötig, sagte etwa der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar.

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