Automesse in Schanghai Chinesen sind bei der E-Mobilität auf der Überholspur

Berlin · Bei der Automesse in Schanghai sind Dutzende neuer Elektroautos zu sehen – in allen Preis- und Größenklassen. Das zeigt, wie sehr China die Entwicklung vorantreibt.

 Einen hohen Stellenwert besitzt die Elektromobilität in China, wie die jetzt beginnende Automesse in Schanghai zeigt.

Einen hohen Stellenwert besitzt die Elektromobilität in China, wie die jetzt beginnende Automesse in Schanghai zeigt.

Foto: dpa

Fahren ohne Abgasausstoß – was in Deutschland noch als Zukunftsvision gilt, ist in China bereits völlig normal. Auf der Automesse in Schanghai, die am Dienstag beginnt, sind Dutzende neuer Elektromodelle aller Preis- und Größenklassen zu sehen. Marktführer BAIC aus Peking wird sogar einen E-Sportwagen mit 1600 PS zeigen, den er künftig unter der neuen Luxusmarke Arcfox anbieten will. Daneben reihen sich glänzende SUVs mit Ledersitzen und Holzarbeiten im Cockpit. Alle elektrisch.

Im vergangenen Jahr haben die Chinesen rund 1,3 Millionen Elektroautos angemeldet, ein Plus von 60 Prozent. In dieser Zahl sind Steckdosenhybride mit großer Batterie ebenfalls enthalten. Jeder zwanzigste Neuwagen in China fährt damit überwiegend elektrisch – und der Boom geht weiter: In diesem Jahr werden nach Auskunft von Analysten mindestens 1,6 Millionen E-Autos einen Käufer finden. Für deutsche Hersteller verstörend: Fast alle der neuen Elektrofahrzeuge kommen von chinesischen Anbietern. „Das Auto von morgen kommt aus China“, urteilt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.

Die chinesische Regierung ist fest entschlossen, das Elektroauto zu einem ganz normalen Produkt für Jedermann zu machen. Schon seit anderthalb Jahrzehnten treibt sie entsprechende Programme voran. Deshalb sieht sich derzeit auch schon in der Lage, die Subventionen für den Kauf von Elektroautos wieder senken zu können. Das Abschmelzen der Förderung wirkt dabei zunächst paradox – schließlich sind möglichst hohe Verkaufszahlen das erklärte Ziel. Doch die Logik dahinter überzeugt: Marktfähige Produkte brauchen keine Zuschüsse. Und wer eine Branche zu lange mit Geschenken päppelt, der schwächt sie am Ende. Schließlich fehlt der Anreiz, günstiger und besser zu werden, wenn es Geld vom Staat gibt. Schon ab 2020 gibt es gar keine Zuschüsse mehr.

Kein Zuckerbrot mehr

Doch auch wenn die Regierung in Peking kein Zuckerbrot mehr anbietet, schwingt sie zugleich die Peitsche. Denn sie zwingt sämtlichen Autofirmen eine Elektroquote auf. Das Verfahren dafür ähnelt mehr einem Brettspiel als einer Kfz-Regulierung. Wer elektrisch angetriebene Fahrzeuge verkauft, erhält dafür je nach Preis und Klasse eine bestimmte Anzahl von Punkten. Die Punkte lassen sich auch von Mitspielern dazukaufen. Wer am Jahresende nicht genug Punkte hat, wird bestraft.

Hier fangen auch die Probleme des umsatzstärksten deutschen Anbieters Volkswagen an. Andere Firmen von Great Wall über Nissan bis BMW zeigen auf der Messe in Shanghai selbstbewusst ihre elektrischen Serienmodelle. Volkswagen kann außer dem schnell zusammengeschraubten E-Golf und dem kleinen E-Up nur Ideen präsentieren. Firmenchef Herbert Diess ist das Problem allerdings längst bewusst. Er lässt umsteuern, doch das kostet Geld und braucht Zeit.

„Bereits heute ist rund die Hälfte unserer 20.000 Entwicklungsexperten mit der Erforschung von Technologien, Produkten und Autodesigns für China befasst“, sagte Diess. China sei das einzige Land mit einem klaren Plan, Elektromobilität als den neuen Standard zu etablieren. VW wolle in den nächsten zehn Jahren 22 Millionen Elektroautos produzieren.

Generell ist die Begeisterung für E-Mobilität in China größer als in Deutschland – in der Regierung genauso wie in der Branche und bei ihren Kunden. Regierung und Hersteller sehen hier eine Chance, den technischen Vorsprung der Europäer, Amerikaner und Japaner bei der Verbrennungsmaschine zu neutralisieren.

Die Karten werden neu gemischt – und China als weltgrößter Markt verteilt sie. Kunden in den niedrigen Einkommensklassen kaufen dort sogar schon seit Jahren mit großer Begeisterung elektrisch angetriebene Fortbewegungsmittel. Und zwar nicht aus Liebe zur Umwelt oder um modern zu wirken, sondern weil sie preiswert zu haben sind und im Betrieb günstiger ausfallen als Motorfahrzeuge. Häufig sind das nur bessere Kabinenroller, aber Hauptsache: Es fährt.

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