Bundesminister für Wirtschaft und Energie CDU-Politiker Peter Altmaier im Interview

Bonn · Klimaschutz, US-Strafzölle und Kinderbetreuung sind die Themen, über die der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier im GA-Interview sprach.

Was hätte der frühere Umweltminister Peter Altmaier denn über den heutigen Wirtschaftsminister gesagt, der meint, der Klimaschutz sei eine Bedrohung des Wohlstands?

Peter Altmaier: Der Umweltminister Peter Altmaier hätte sich so einen Wirtschaftsminister gewünscht. Denn ich habe ja auch als Wirtschaftsminister gesagt, dass der Klimaschutz für mich die größte globale Herausforderung ist und wir unsere Klimaziele ernst nehmen müssen. Deutschland muss dafür weiterhin eine Führungsrolle einnehmen. Unsere Klimaschutzpolitik darf aber keine Arbeitsplätze gefährden oder dazu führen, dass sie ins Ausland verlagert werden - dorthin, wo Umweltstandards niedriger sind als bei uns. Das wäre industriepolitisch falsch und klimapolitisch verheerend.

Die Wirtschaft klagt, dass die Energiewende in Deutschland teuer und ineffizient sei. Können Sie das nachvollziehen?

Altmaier: Ja, die Kritik kann ich nachvollziehen. Deutschland gehört zu den Ländern in Europa, in denen der Strom nachweislich am teuersten ist. Das ist ein Standortfaktor für die Industrie und eine Belastung für die Bürgerinnen und Bürger. Wir arbeiten deshalb an einer Eindämmung der Preise: In den vergangenen vier Jahren haben wir bereits das Fördersystem für erneuerbare Energien grundlegend reformiert. Dadurch ist der Zuschussbedarf für eine Kilowattstunde erneuerbaren Stroms um mehr als 50 Prozent gesunken. Wir bauen heute auch erneuerbare Energien aus, ohne dass dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Allerdings schleppen wir noch den Kostenrucksack mit uns herum, der in der frühen Phase der Energiewende vertraglich zugesagt worden ist. Diese Kosten werden erst Mitte der 20er Jahre weniger.

Es kommen ja durch den Kohleausstieg noch neue Kosten dazu. Wann wollen Sie ihr Gesetz dazu vorlegen?

Altmaier: Bis Ende April werde ich die Eckpunkte für ein Gesetz vorlegen, in dem es um Infrastrukturmaßnahmen für Regionen geht, die vom Kohleausstieg betroffen sind. Der Gesetzentwurf dazu soll noch vor der Sommerpause vorliegen. Mit den betroffenen Kraftwerksbetreiber werden wir in den kommenden Wochen und Monaten darüber reden, wie der schnelle Beitrag zur CO2-Reduzierung erbracht werden soll. Diese Entscheidungen müssen zügig getroffen werden, auch damit die betroffenen Landesregierungen wissen, wie es an neuralgischen Punkten weitergeht.

Haben Sie Verständnis für die Schülerproteste für mehr Klimaschutz – wie es auch die Kanzlerin geäußert hat?

Altmaier: Vertreter dieser Schülerinnen und Schüler habe ich am ersten Tag ihrer Aktion in Berlin im Ministerium zu einem Gespräch empfangen und mir ihre Anliegen ganz genau angehört. Neben dem Lob dafür, dass sich die Schülerinnen und Schüler für Klimaschutz engagieren, habe ich aber auch darauf hingewiesen, dass man solche Demos auch ganz kommod im Anschluss an den Schulunterricht organisieren kann. Das würde der Sache, für die sie demonstrieren, sicherlich noch einmal eine ganz neue Durchschlagkraft verleihen und ihr ernsthaftes Engagement unterlegen. Die Schüler wollen sich doch sicherlich nicht vorwerfen lassen, dass sie nur ihren Mathe-Stunden entkommen wollen.

Haben Sie früher auch mal die Schule geschwänzt?

Altmaier (lacht): Nur für gute Zwecke. Ernsthaft. Ich war weder ein Streber noch ein Schulschwänzer.

Die US-Administration sieht den Import deutscher Autos als Gefahr für die nationale Sicherheit. Rechnen Sie damit, dass die USA tatsächlich Strafzölle für deutsche Autos einführt?

Altmaier: Solche Zölle wären in der derzeitig schwierigen Situation der Weltkonjunktur Gift für alle betroffenen Länder, auch für die USA selbst. Deshalb setze ich darauf, dass es Europa und den USA gelingen wird, höhere Zölle zu vermeiden und überhaupt auf Industriezölle zu verzichten. Als Europäer müssen wir möglichst bald ein Verhandlungsmandat beschließen, mit dem wir dann an die USA herantreten. Wir müssen die Phase der Unsicherheit möglichst schnell beenden, um das Investitionsklima nicht zu gefährden.

Würde ein europäisches Verhandlungsmandat wieder nach dem Prinzip Hühnerhaufen funktionieren – wie bei TTIP oder haben die Europäer dazugelernt?

Altmaier (klopft auf seinen Holztisch): Die Europäische Union hat in den vergangenen vier bis fünf Jahren an Handlungsfähigkeit gewonnen. Wir haben gemeinsame Positionen beim Nuklearabkommen mit dem Iran, im Hinblick auf die Ukraine-Krise und beim Thema US-Zölle auf Aluminium und Stahl. Die Handlungsfähigkeit sieht man auch daran, dass die EU in der heftig umstrittenen Frage der Gaspipeline Nordstream 2 eine Lösung gefunden hat.

Die Wirtschaft kritisiert, dass sie nicht beherzt genug Widerstand gegen die wachsenden sozialstaatlichen Anliegen der SPD leisten. Gefährden die Sozialstaatspläne der SPD die wirtschaftliche Stabilität?

Altmaier: Mich beunruhigt die Inflation der Ausgabewünsche der SPD enorm. Gemeinsam mit Gerhard Schröder haben wir zu Beginn des Jahrtausends Reformmaßnahmen verabschiedet, sodass die Sozialabgaben seitdem unter 40 Prozent liegen. Diese Stabilität halte ich für gefährdet, wenn wir reihenweise ungedeckte Schecks ausstellen, die dann unsere Kinder und Enkelkinder einlösen müssen. Geschäfte zulasten Dritter sind nie gut, weder in der Umwelt, noch im Haushalt.

Muss es Priorität sein, dass alle Beiträge zu den Sozialkassen dauerhaft unter 40 Prozent bleiben?

Altmaier: Ja. Wir sollten im Grundgesetz festschreiben, dass die Beiträge für alle Sozialversicherungen insgesamt nicht über 40 Prozent steigen dürfen. Ähnlich wie wir auch eine Schuldenbremse in der Verfassung haben. Dann können sich Unternehmer darauf verlassen, dass die Sozialabgaben für sie bezahlbar bleiben, wenn sie neue Arbeitsplätze schaffen. Die Erfahrung lehrt, wenn die Sozialabgaben länger über 40 Prozent steigen, stellt sich der Effekt ein, dass die Zahl der Arbeitsplätze sinkt und unter dem Strich weniger Geld in die Sozialkassen fließt. Das müssen wir vermeiden.

Gehen Sie beim Vorstoß der SPD zum Homeoffice mit – das kostet zumindest keine Sozialabgaben?

Altmaier: Wir müssen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch stärker mit kreativen Arbeitsmodellen und einem Ausbau von Kinderbetreuung ermöglichen. Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice ist dafür nicht notwendig. Wir brauchen mehr Flexibilität, nicht mehr starre gesetzliche Regelungen.

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