Abgas-Skandal Brüsseler Abgas-Poker

Brüssel · Das Ringen um die neuen Grenzwerte bis 2030 hat bereits begonnen. Die Vorstellungen von Umweltpolitikern sind ehrgeizig.

 Ein VW wird für eine Abgasmessung nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus vorbereitet.

Ein VW wird für eine Abgasmessung nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus vorbereitet.

Foto: picture alliance / Helmut Fohrin

Wie sauber müssen Europas Autos 2030 sein? Wenige Tage vor der ersten wichtigen Abstimmung im Umweltausschuss des EU-Parlamentes laufen die Autobauer Sturm gegen neue allzu ehrgeizige Grenzwerte. Sie wollen „realistische Vereinbarungen“. Doch den Umwelt-Politikern ist das viel zu wenig.

Mit großen Befürchtungen sehen Europas Autobauer vor dem Montag nach Straßburg. Denn gleich die erste Entscheidung des Umwelt-Ausschusses wird wohl für erheblichen Ärger sorgen. Denn es geht um neue Abgas-Grenzwerte bis 2030. „In unserer Branche herrscht große Sorge, ob wir das Ziel für 2021 erreichen, denn das wird natürlich schon kniffelig“, sagte der Generalsekretär des europäischen Dachverbandes der Auto-Hersteller (Acea), Erik Jonnaert, am Dienstag. Doch das ist noch harmlos im Vergleich zu den Grenzwerten, die die Umwelt-Politiker für die nächsten Jahre festschreiben wollen.

Bis 2021 dürfen alle Neuwagen eines Herstellers im Schnitt nur noch 95 Gramm Kohlendioxid ausstoßen. 2017 lag der errechnete Wert bei gerade mal 118,5 Gramm – zum ersten Mal seit 2009 mit steigender Tendenz. Bis heute scheint nicht sicher, ob alle Autobauer dieses Zwischenziel erreichen. Doch danach sollen die Vorgaben noch deutlich niedriger festgezurrt werden. Um die Ziele des Klimaschutzabkommens von Paris zu schaffen, müssten die Autos bis 2030 75 Prozent weniger CO2 emittieren“, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms am Dienstag. Da dies nicht einmal im ansonsten ehrgeizigen EU-Parlament durchsetzbar sei, begnüge man sich mit einem Abbau von 50 Prozent im Vergleich zu 2021. Andere deutsche Umweltverbände werben ebenfalls für einen Abbau um 60 oder 70 Prozent. Die Auto-Industrie winkt ab. Laut Jonnaert seien 20 Prozent machbar.

Tatsächlich hat die Branche große Probleme. Elektrofahrzeuge zählen nach wie vor nicht zu den Rennern. Und nach der Affäre um gefälschte Angaben bei Diesel-Autos ist die Nachfrage regelrecht eingebrochen – bedauerlicherweise, wie es bei Acea heißt. Denn der CO2-arme Diesel-Antrieb hatte bisher stets geholfen, den Durchschnittswert der Fahrzeugflotte zu drücken. Diese Unterstützung entfällt immer mehr. Noch ist allerdings unklar, wie sich die übrigen Fraktionen im EU-Parlament positionieren. Aus dem Umfeld des SPD-Verkehrspolitikers Ismael Ertug hieß es gestern, die einen (gemeint sind vor allem Christdemokraten) schielten zu einseitig auf Konzerninteressen und „blockierten so die Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität in Europa“.

Andere dagegen übergingen den „Schutz der Millionen Beschäftigten, die bei zu abrupten und zu harten Umbrüchen auf der Strecke blieben“. Viel Zeit bleibt den Beteiligten allerdings nicht mehr. Bereits im Oktober soll sich das Plenum der europäischen Volksvertretung festlegen, damit anschließend die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten beginnen können. Wie sich Deutschland positioniert, ist noch offen. Allerdings hatten sich die Bundeswirtschaftsminister bisher immer vor die Autobauer gestellt und dafür gesorgt, dass allzu ambitionierte Vorgaben letztlich ausgebremst wurden. Acea-Chef Jonnaert bemühte sich schon gestern, die Abgeordneten von eventuellen Höhenflügen abzuhalten: „Natürlich fühlt sich das gut an, auf dem Papier ein hohes Reduktionsziel zu haben“, sagte er. „Aber wir wollen sicherstellen, dass das, was aufgeschrieben wird, zumindest in unserer Branche auch erfüllt wird.“ Und deshalb sollten „langfristige Ziele realistisch“ sein.

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