Streit um Qualität von Lebensmitteln Brüssel spricht über Nutella

Brüssel · Die Debatte um minderwertige Produkte im Osten der EU geht weiter. Die Kommission will bis September kurzfristig neue Leitlinien festlegen, um die Qualität in allen Mitgliedstaaten sicherstellen.

Jean-Claude Juncker hat einen neuen Spitznamen weg: „Käpt’n Iglo“ wird er schmunzelnd in Brüsseler Diplomatenkreisen genannt. Schließlich musste sich der EU-Kommissionspräsident an seinem ersten Urlaubstag gestern noch mit einem besonders pikanten Thema herumschlagen: Zu Gast war der slowakische Ministerpräsident Robert Fico und der wollte vor allem über Fischstäbchen, Nutella und Waschmittel reden.

„Das ist kein kleines Thema, das ist ein europäisches Problem“, sagte er warnend mit Blick auf die Populisten im eigenen Land. Um eventuelle Kritiker aus dem Feld zu schlagen, unterstrich er: „Wenn wir das Thema nicht ernstnehmen, tun es andere. Und das müssen wir verhindern.“

Vor wenigen Wochen hatten die vier Regierungschefs der sogenannten Visegrád-Gruppe (Slowakei, Polen, Tschechien und Ungarn) bereits ein Eingreifen der Kommission gefordert, weil unabhängige Untersuchungen von namhaften Institutionen feststellten, dass die großen Lebensmittelketten minderwertige Nahrungsmittel in den Osten der Gemeinschaft liefern: Nutella schmeckt weniger schokoladig, billige Reste statt Fisch sind in den gleichnamigen Stäbchen, Hühner-Überbleibsel in Schweinefleisch-Produkten. Die Lebensmittelbehörde in Sofia habe erst am Mittwoch dieser Woche die Ergebnisse eine Erhebung veröffentlicht, berichtete Fico, bei der gleiche Produkte aus Geschäften in Bulgarien, Deutschland und Österreich untersucht worden waren.

Fazit: Im Osten enthielt ein Schokoladen-Dessert weniger Milch und Kakao als im Westen. In polnischen Leibniz-Keksen wurde ein deutlich niedrigerer Anteil von Butter als in den deutschen gefunden. 990 Milliliter des Weichspülers Lenor kosten in Österreich 1,99 Euro. Der slowakische Kunde muss allerdings 2,99 Euro bezahlen und bekommt dafür sogar noch 60 Milliliter weniger. Die großen Konzerne weisen die Vorwürfe zwar zurück, räumen aber ein, dass man sich zum Beispiel bei den Verpackungsgrößen nach den regionalen Märkten und den dortigen Kunden richten würde. Bei sieben von 31 Proben gab es auffällige Abweichungen bei Bestandteilen, Geschmack oder Preis (bei gleicher Größe). „Was würden Sie denn sagen, wenn in Ihrem Land Waschmittel 20 Prozent weniger aktive Substanzen enthielten und die Hersteller sich darauf berufen, dass Ihre Bürger heißeres Wasser zum Waschen benutzen?“, so Fico weiter.

Juncker („Ich glaube nicht, dass die Produkte unterschiedlich schmecken“) versprach Abhilfe. Da ein neues EU-Gesetz zu lange dauerte, sagte er kurzfristig neue Leitlinien zu, die bereits im September vorgelegt würden. Inhalt: Die derzeitige Verbraucherschutzrichtlinie zur Lebensmittelqualität soll strenger gefasst und unmissverständlicher ausgelegt werden.

Dass die Kommission sich willig zeigte, die Sorgen der 65 Millionen Verbraucher in den vier Ost-Familienmitgliedern der EU ernst zu nehmen, entspannte die Atmosphäre erkennbar. Was aber vor allem auch daran liegen dürfte, dass Fico nicht nur in Sachen Nuss-Nougat-Creme unterwegs war. Tatsächlich hatte der Premier aus Bratislava, der bisher zu den hartnäckigen Gegnern der Aufnahme von Flüchtlingen gehört hatte, plötzlich neue Offenheit signalisiert.

Es werde nach der Sommerpause ein Treffen zwischen den vier Visegrád-Ländern, der Kommission und dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni geben, um über Migration zu reden. Ficos Schlüsselsatz lautete: „Die Slowakei ist bereit, einen Kompromiss zu finden.“ Das hatte man bisher noch nicht gehört. So war der slowakische Premier am Schluss der Begegnung in Brüssel denn auch unerwartet angetan: „Solche Gespräche sollte es öfter geben.“

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