Mercosur-Abkommen vor Abschluss Brüssel setzt beim Freihandel auf Südamerika

Brüssel · Nach dem Ende von TTIP und Ceta hofft die EU nun auf ein Bündnis mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

 Soja ist die wichtigste Anbaupflanze in Argentinien. FOTO: DPA

Soja ist die wichtigste Anbaupflanze in Argentinien. FOTO: DPA

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Nach dem Desaster um das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP, das inzwischen in den Schubladen verschwunden ist, und dem Ceta-Ableger mit Kanada, der bisher nur teilweise in Kraft ist, steht die EU nun offenbar vor einem großen Wurf.

Am morgigen Freitag soll das Endspiel um einen gemeinsamen Markt mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay beginnen. Die vier Länder sind die tragenden Säulen des Mercosur-Verbundes, der 70 Prozent des Kontinents umfasst und als so etwas wie die lateinamerikanische Variante der EU gilt. Ein lukratives Bündnis also, das – sollte es verwirklicht werden – fast 800 Millionen Verbraucher umfasst.

Nachdem am Dienstag dieser Woche die zuständigen Handelsminister der Partner aus Brüssel abgereist waren, sprachen Teilnehmer der Verhandlungen von „konstruktiven Gesprächen“. Gestern holten sich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und ihr Kollege aus dem Agrarressort, Phil Hogan, die Rückendeckung ihrer Behörde. Man sei guter Stimmung, hieß es nach der Sitzung.

Allein durch den Wegfall von Zöllen könnten die Mercosur-Staaten wie die Union etliche Milliarden Euro pro Jahr einsparen, heißt es in Brüssel. Weitere Gewinne seien durch gemeinsame Standards beispielsweise bei Autoteilen, Medikamenten oder Dienstleistungen möglich, verspricht die EU. Dennoch bleiben viele Ängste – vor allem bei den europäischen Landwirten.

Pekka Pesonen, Generalsekretär des Dachverbandes Copa und Cogeca, in dem die Bauernverbände zusammenarbeiten, spricht von Einbußen um die sieben Milliarden Euro. 100 000 Tonnen Rindfleisch wollen die Südamerikaner auf den EU-Markt werfen. Dazu kommen Hähnchen und Zucker sowie Ethanol. Deren Produktion werde in den Mercosur-Staaten aber staatlich subventioniert und dürfte deshalb zu einer weitgehenden Verzerrung des Wettbewerbs in Europa führen.

„Angesichts der beträchtlichen Unwägbarkeiten in den Brexit-Gesprächen sowie der Diskussion um die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und den EU-Haushalt lehnen wir jegliche Zugeständnisse in den Verhandlungen ab“, betonte Pesonen. Dazu zählt wohl auch die Bereitschaft der Kommission, auf Vorabkontrollen der südamerikanischen Exportbetriebe zu verzichten – ein überraschendes Entgegenkommen. Schließlich war einer der größten Fleischexporteure Brasiliens im Vorjahr in einen internationalen Gammelfleisch-Skandal verwickelt.

Kritiker sprechen allerdings davon, dass die EU keineswegs eine weiche Linie fahre. Stattdessen ist von regelrechten Knebelverträgen die Rede. So soll der Mercosur-Verbund vorab auf juristische Eigenständigkeit und Auseinandersetzungen verzichten, wenn die EU neue Auflagen für Importe erlasse. Öffentliche Ausschreibungen müssten die Lateinamerikaner künftig für EU-Unternehmen öffnen. Den Schutz des geistigen Eigentums will Brüssel derart drastisch erhöhen, dass ein Preisanstieg bei patentierten Medikamenten nicht undenkbar scheint – für die deutlich geringer entwickelten Partnerländer eine Katastrophe.

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