Interview mit Kartellamtspräsident Andreas Mundt "Gegen Facebook können wir vorgehen"

Bonn · Kartellamtspräsident Andreas Mundt warnt im Interview vor der Marktmacht der Digitalkonzerne. Die Bonner Behörde hat Facebook bereits Ende Dezember aufgefordert, seinen Umgang mit den Kundendaten zu ändern.

Best-Preis-Garantien können gegen Wettbewerbsrecht verstoßen, meint der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt. Die Fragen stellte Reinhard Kowalewsky.

Das Kartellamt verhängte 2017 Bußgelder von 60 Millionen Euro – weniger als 2016. Werden Sie zahm?

Andreas Mundt: Nein, wir hatten 2017 nicht weniger Durchsuchungen als in den Vorjahren. Wir haben auch wieder zahlreiche neue Hinweise auf Kartelle erhalten. Allerdings hat es uns eine Gesetzeslücke in den vergangenen beiden Jahren schwer gemacht, unsere Verfahren voranzutreiben.

Das bedeutet?

Mundt: Unternehmen konnten sich einem Bußgeld entziehen, indem sie sich einfach umstrukturierten. Und gerade weil wir von dieser Ausweichmöglichkeit wussten, haben wir manche Verfahren zunächst zurückgestellt. Mitte des Jahres ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen endlich in diesem Punkt geändert worden. Nun haften Konzerne als Ganzes für ein Kartellvergehen. Damit war die Wurstlücke geschlossen, wie die Öffentlichkeit das Problem in Anlehnung an das Tönnies-Verfahren ja genannt hatte.

Was ist Ihre wichtigste Herausforderung?

Mundt: Aktuell ist die wichtigste Aufgabe sicherlich, auch in der digitalen Welt für wirklichen Wettbewerb zu sorgen. Unsere vorläufige Einschätzung zu Facebook kurz vor Weihnachten zeigt, wohin die Richtung geht: Wir haben dem Unternehmen mitgeteilt, dass wir es für marktbeherrschend halten. Und wir kritisieren die Art und Weise, wie das Unternehmen persönliche Daten sammelt und verwertet, als möglichen Missbrauch von Marktmacht. Die Nutzer müssen hinnehmen, dass Daten auch aus Drittquellen massenhaft gesammelt werden, obwohl sie davon wenig, meistens sogar gar nichts wissen.

Kann man einem kostenlosen Dienst überhaupt ins Geschäft reinreden?

Mundt: Der ist ja nicht wirklich kostenlos, die Kunden zahlen faktisch mit ihren Daten. Auf der einen Seite steht mit dem sozialen Netzwerk eine vermeintlich kostenlose Dienstleistung, auf der anderen Seite stehen attraktive Werbeplätze, deren Wert gerade deshalb so hoch ist, weil Facebook über riesige Mengen personalisierter Daten verfügt. Dabei muss sich Facebook an die Regeln und Gesetze halten. Das Kartellrecht verbietet es, dass ein Unternehmen seine Marktmacht missbräuchlich ausnutzt.

Was geschieht jetzt?

Mundt: Nun werden wir sehen, wie Facebook auf unsere Kritik reagiert. Dann entscheiden wir, was zu tun ist. Vielleicht schlägt Facebook Lösungen vor und verpflichtet sich zu einer anderen Praxis. Oder vielleicht müssen wir am Ende das Sammeln und Verwerten von Daten aus Drittquellen ohne ausdrückliche Zustimmung der Nutzer hierfür verbieten.

Facebook kann das als aus den USA gesteuertem Konzern doch egal sein.

Mundt: Abgesehen davon, dass Facebook auch eine deutsche Tochter hat, gilt im Kartellrecht das sogenannte Auswirkungsprinzip. Gegen einen Verstoß können wir wirksam vorgehen, soweit er sich in der Bundesrepublik auswirkt. Wir führen regelmäßig auch Verfahren gegen ausländische Unternehmen.

Was halten Sie davon, dass Unternehmen wie Amazon immer häufiger personalisierte Preise bieten?

Mundt: Wir beobachten die Entwicklung genau. Das Konzept von individualisierten Preisen für jeden Einzelnen widerspricht einem funktionierenden Markt, wie wir ihn kennen. Bisher orientieren Unternehmen ihre Preise an der Zahlungsbereitschaft aller Kunden oder der von bestimmten Kundengruppen. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage gerät durcheinander, wenn sich die Preise künftig an der unterschiedlichen Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit Einzelner orientieren.

Und was halten Sie von Best-Preis-Garantien im Internet?

Mundt: Auch die können gegen Wettbewerbsrecht verstoßen. In unseren Fällen geht es um Vereinbarungen einer Plattform mit Händlern, die über die Plattform Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Wir haben zum Beispiel Amazon davon abgebracht, die Online-Händler auf dem Amazon-Marketplace dazu zu verpflichten, stets bei Amazon den jeweils günstigsten Preis anbieten zu müssen. Der Händler konnte auf einer anderen Plattform dann keinen niedrigeren Preis als bei Amazon setzen. Das ist eine Best-Preis-Klausel, die dem Verbraucher schadet. Die Händler zahlen ja auch eine hohe Provision an Amazon, die eingepreist wird. Das heißt, auf anderen Plattformen hätte es viel preiswerter sein können. Ein ähnlich gelagertes Problem haben wir bei Buchungsplattformen wie HRS oder booking.com adressiert.

Im Internet werden die Preise zunehmend von Algorithmen bestimmt. Sehen Sie darin ein Problem?

Mundt: Ob die Preissetzung unmittelbar von Menschenhand oder mittelbar, berechnet durch eine Software, erfolgt, ist zunächst einmal egal. Für beides ist das dahinterstehende Unternehmen verantwortlich. Bewusste Preisabsprachen sind selbstverständlich auch unter Einsatz von IT verboten. Ein Problem könnte aber darin liegen, wenn Wettbewerber ihren jeweiligen Verkaufssystemen einprogrammieren, immer genauso teuer zu sein wie die Konkurrenz. Wozu führt dies? Das ist nur ein Beispiel für eine neue Frage mit der wir uns in Zukunft befassen müssen.

Auch bei Lufthansa und Eurowings gehen Sie dem Verdacht nach, dass es überhöhte Preise gibt.

Mundt: Wir haben Kontakt zur Deutschen Lufthansa aufgenommen. Wir wollen erst einmal herausfinden, ob und wie die Preise nach dem Ende von Air Berlin und dann auch von Niki tatsächlich gestiegen sind. Dann wollen wir wissen, wie die Tarife berechnet werden. Und dann werden wir entscheiden, ob wir ein Verfahren einleiten.

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