Brief an Juncker Berlin fordert Schutzwall gegen chinesische Firmenübernahmen

Berlin/Brüssel · China kauft seit längerem gezielt in Europa und Deutschland Hightech-Firmen auf, um die eigene Industrie in Fernost zu stärken. Die Bundesregierung fordert ein Einschreiten der EU-Kommission.

 EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will sich der Sache annehmen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will sich der Sache annehmen.

Foto:  Olivier Hoslet

Die Bundesregierung macht bei der Europäischen Union Druck für stärkere Vetorechte beim Verkauf von Technologie-Firmen nach Fernost. Dies geht aus einem Brief von Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hervor, der der dpa vorliegt.

Juncker will sich der Sache annehmen. "Konkrete Vorschläge planen wir für den Herbst", betonte ein Kommissionssprecher am Mittwoch.

Zypries schrieb, die zahlreichen Firmenkäufe durch chinesische Investoren und der damit verbundene Kapitalzufluss belegten zwar die Attraktivität des Standortes Europa und sicherten auch in Deutschland Wachstum, Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Es sei aber zu erkennen, dass China sich bei Übernahmen in Europa und Deutschland einseitig auf "industrielle Hoch- und Schlüsseltechnologien" konzentriere.

Zugleich bleibe der chinesische Markt europäischen Investoren oft verschlossen. "Offene Märkte dürfen aber keine Einbahnstraße sein", betont die SPD-Politikerin. Auch sollten die EU-Staaten die Möglichkeit bekommen, in Einzelfällen "nicht marktkonforme, also insbesondere staatlich gelenkte oder subventionierte strategische Erwerbe von Unternehmen", die Schlüsseltechnologien entwickeln oder herstellen, zu prüfen und notfalls zu untersagen.

Zypries hatte ihre Forderungen schon im Februar mit ihren Kollegen aus Paris und Rom an EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström geschickt - mit Bitte um konkrete Vorschläge der Kommission. Seitdem ist aus Berliner Sicht nicht allzu viel passiert. Zypries lobt in dem Brief aber, dass Juncker das Thema zur Chefsache gemacht hat.

Junckers Sprecher betonte, man arbeite schon geraume Zeit an dem Thema und habe beim EU-Gipfel ein Diskussionspapier zur Globalisierung vorgelegt. "Beiträge von Mitgliedstaaten zu dieser Diskussion sind naturgemäß sehr willkommen", erklärte er auf Anfrage.

Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) sagte der dpa, es gehe nicht darum, die deutsche und europäische Wirtschaft abzuschotten. "Aber es darf keinen von Staaten gelenkten, subventionierten Ausverkauf von Schlüsseltechnologieunternehmen geben."

Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland einer Studie der Beratungsfirma Ernst & Young zufolge 68 Übernahmen durch chinesische Käufer. Diese zahlten dafür insgesamt 12,6 Milliarden US-Dollar. Das waren mehr Übernahmen als in den vorangegangenen zehn Jahren zusammen. So kaufte der chinesische Midea-Konzern trotz Bedenken der Politik den Augsburger Roboterhersteller Kuka. Die China-Übernahme des Spezialmaschinenbauers Aixtron platzte dagegen, weil der damalige US-Präsident Barack Obama wegen Sicherheitsbedenken Nein sagte. "Auch 2017 ist die Zahl der Übernahmen durch chinesische Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr bereits deutlich gestiegen", teilt Zypries mit.

Die Bundesregierung hatte kürzlich ihr nationales Vetorecht gegen die Übernahme strategisch wichtiger Firmen durch ausländische Investoren ausgebaut. Besser geschützt werden nun weitere Rüstungsfirmen sowie Telekom-Anbieter von Cloud-Anwendungen.

Das Wirtschaftsministerium kann eine Übernahme prüfen, wenn ein ausländischer Interessent mit Sitz außerhalb der EU mindestens 25 Prozent der stimmberechtigten Anteile kauft. Das gilt vor allem für strategisch wichtige Branchen wie Telekommunikation/IT, Rüstung oder Strom- und Wasserversorgung, wo Sicherheits- und Landesinteressen oder die Versorgung bedroht sein könnten. Jährlich schaut sich das Ministerium 40 bis 50 ausländische Investitionen in Deutschland an.

Weiter gehende Vetorechte müssten jedoch auf EU-Ebene einheitlich geregelt werden. Wirtschaftsverbände sowie einige EU-Länder haben Vorbehalte, weil sie die Abschreckung von Investoren fürchten.

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