Kommentar – Bequem, aber tückisch Das digitale Bahn-Ticket kommt

Meinung | Bonn · Die Deutsche Bahn plant, die klassische Fahrkarte abzuschaffen. Im digitalen Ticketing lauern jedoch einige Tücken, meint GA-Korrespondent Wolfgang Mulke.

Manche Verheißung klingt eher wie eine Drohung. So ließe sich zum Beispiel die Ankündigung des Bahnchefs Richard Lutz verstehen, dass der Zugreisende in absehbarer Zukunft kein Ticket mehr benötigt. Das Internet im ICE oder IC erkennt bald am Smartphone des Besitzers, wer wann und wo in den Waggon ein- und wieder aussteigt. Die Abrechnung erfolgt dann automatisch via Handy.

Diese Ankündigung wagte Lutz ausgerechnet an einem Wochenende, an dem ein Virus weltweit Zehntausende Computer lahmlegte und damit die Verletzlichkeit der softwaregesteuerten Systeme sichtbar werden ließ. Auch die Bahn selbst war zudem davon betroffen. Zwar fielen laut Bahn nur einige Anzeigetafeln und ein paar Ticketautomaten aus. Doch wer sagt, dass beim nächsten Angriff von Kriminellen nicht auch mal eine Zugsteuerung ausfällt? Die Kehrseite der Digitalisierung ist schwarz wie die Nacht.

Beim digitalen Ticketing lauern andere Tücken. Ein Zwang zu digitalen Tickets darf nicht bestehen. Jeder Kunde hat ein Recht auf Mobilität, ohne dass seine Bewegungsmuster von Dritten erfasst und womöglich gespeichert werden. Offen ist auch, wie ein Kunde den günstigsten Preis für seine Reise erhalten kann. Theoretisch können die Ticketkosten bei einer steigenden Auslastung eines Zuges in Sekundenschnelle steigen. So wird aus der vermeintlich bequemen Lösung für die Reisenden schnell ein Instrument der Ertragsoptimierung der Bahn. Man darf gespannt sein, wie das Unternehmen Kunden das nötige Vertrauen in die elektronische Fahrkarte vermitteln will.

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