Digitale Währung Auftragsmord gegen Bitcoin

FRANKFURT/M · Der Europäischen Zentralbank geht die Kontrolle von Kunstwährungen nicht weit genug. Und sie breiten sich immer weiter aus.

 In der digitalen Währung Bitcoin wurden vor sieben Jahren etwa 2000 Transaktionen monatlich gezählt. Heute sind es Millionen.

In der digitalen Währung Bitcoin wurden vor sieben Jahren etwa 2000 Transaktionen monatlich gezählt. Heute sind es Millionen.

Foto: picture alliance / dpa

Nicht, dass sie schon ein massenhaft genutztes Zahlungsmittel wäre – aber ihre Verbreitung wächst. In der digitalen Währung Bitcoin wurden vor sieben Jahren nur etwa 2000 Transaktionen monatlich gezählt. Inzwischen sind es schon rund acht Millionen. Die Europäische Zentralbank ist sensibilisiert. Ihr gehen die Kontrollen solcher Kunstwährungen im Kampf gegen Terrorfinanzierung nicht weit genug.

Es ist wohl das Wachstum, das die EZB auf Cyberwährungen wie Bitcoins aufmerksam werden lässt. Als in Prien der „Chiemgauer“ kreiste oder in Bremen der „Roland“, hat das niemanden aufgeregt in Frankfurt. Doch Bitcoins sind schon eine andere Klasse. Gestern wurden auf Tauschbörsen Bitcoins im Gegenwert von gut 463 Millionen Dollar gehandelt. Das Volumen war wegen der starken Kursbewegungen der jüngsten Zeit deutlich angeschwollen. An ruhigeren Tagen gehen auch mal nur Bitcoins im Gegenwert von 14 Millionen um. Aber auch das erhöhte aktuelle Handelsvolumen ist für Fachleute „lächerlich“ im Verhältnis zu einem börsentäglichen Umsatz an den weltweiten Devisenmärkten von gut 5000 Milliarden Dollar. Spötter sprachen schon von Bitcoin als „Regionalwährung des Internet“.

Doch die EZB meint, virtuelle Währungen hätten das „Potential“ effizienter zu werden und sich auszudehnen. Obwohl sie deutlich stärkere Kursschwankungen als von Notenbanken ausgegebenes Geld aufwiesen und ihre Nutzer auch keine Garantie hätten, virtuelles Geld in „richtiges“ Geld tauschen zu können, treibt die EZB schon die Sorge um, irgendwann könne sie die Kontrolle über die Geldmenge in Euroland verlieren.

Deshalb hat die Zentralbank die EU aufgefordert, die gesetzliche Regulierung von Cyberwährungen zu verschärfen. Reguliert werden solle nicht nur der Umtausch digitaler Zahlungsmittel in „legales“ Geld. In Deutschland ist das schon Realität. Handelsplattformen, auf denen Bitcoins in Euro getauscht werden können, brauchen eine Zulassung der Bankenaufsicht Bafin. In anderen EU-Ländern ist das ähnlich. Aber die EZB treibt um, mit solchen Währungen könnten auch Güter und Dienstleistungen direkt gekauft werden. Auch das müsse die EU berücksichtigen.

Warnend mahnt die Zentralbank in einer Stellungnahme für die EU-Kommission zu den Themen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Terroristen und andere Kriminelle könnten die virtuellen Handelsplattformen für digitales Kunstgeld nutzen und dabei von einem „gewissen Grad an Anonymität“ profitieren. Im Ohr dürfte sie auch die Warnung von Christoph Sorge haben, der an der Universität Saarbrücken die Stiftungsprofessur für Rechtsinformatik hält. Er hatte in einem Aufsatz geschrieben, würden Bitcoins „für einen drastisch höheren Anteil am Zahlungsverkehr genutzt als heute, wäre das System für Angreifer, die wirtschaftliche Verwerfungen auslösen möchten, interessant.“

So weit ist es noch nicht. Es sind aber auch nicht nur Konzerne wie Microsoft oder Dell, die solche Kunstwährungen akzeptieren, nicht nur sogenannte Aggregatoren, die Inhalte im Netz sammeln und kostenpflichtig weitergeben. Es sollen auch Pizzadienste unter den Akzeptanzstellen selbst in Deutschland sein. Und die Wiki-Seite, auf die bitcoin-start.de verweist, nennt seriöse Nutzer wie das Museum für angewandte Kunst in Wien, das voriges Jahr ein Kunstwerk kaufte und in Bitcoins bezahlte, oder die Umweltorganisation BUND, die Spenden von Bitcoins akzeptiere. Und dann ziemlich emotionslos weiter: „Weitere Einsatzgebiete sind die Bezahlung von Online-Striptease … und auch der Handel mit illegalen Waren bzw. Dienstleistungen, wie z. B. nicht verkehrsfähigen Drogen oder Auftragsmorde.“

Solche kriminellen Aktivitäten hat es freilich auch gegeben, als es noch keine Bitcoins gab. Die Frage ist nur, ob sie mit dieser Währung leichter zu verbergen und schwerer nachzuverfolgen sind. Christoph Sorge, der an der Universität Saarbrücken die Stiftungsprofessur für Rechtsinformatik hält, hat zwar auch nicht in die Erkenntnisströme der Europäischen Zentralbank reingeschaut. Aber er habe „das spontane Gefühl“, dass gegen illegale Zahlungsströme in Bitcoins Methoden der Bankenaufsicht kaum hülfen. „Mit geheimdienstlichen Mitteln müsste das aber möglich sein“, sagt er.

Bisher haben sich die Schwierigkeiten mit Bitcoins abseits terroristischer Aktivitäten abgespielt. Kriminelle Energie war gleichwohl im Spiel. Etwa als im Dezember 2012 Kunden 20.000 Bitcoins verloren, weil der Betreiber der Plattform „Bitmarket“ mit den Kundengeldern spekuliert hatte. Bitfinex, eine Börse für Digitalwährungen, teilte kürzlich mit, am 2. August dieses Jahres habe sie den Diebstahl von fast 120.000 Bitcoins bemerkt – ein Schaden von umgerechnet 70 Millionen Dollar. Er wurde auf alle Kontoinhaber umgelegt. Es war der zweitgrößte Diebstahl in der seit 2008 währenden Bitcoin-Geschichte. Vor zwei Jahren wurden beim größten Bitcoinklau an der japanischen Bitcoin-Börse „Mt. Gox“ rund 744.000 Bitcoins gestohlen. Die Börse ging konkurs. Eine große Gefahr droht der Kunstwährung auch aus sich selbst heraus. Denn ihre Konstruktion kommt ohne Banken und ihr abpufferndes Eigenkapital aus, weil sie Geld von Nutzer zu Nutzer weitergibt. Sie erzeugt Sicherheit durch komplizierte Datenketten, die allenfalls mit immenser Rechnerleistung zu knacken wären. Denn eine Zahlung nimmt die Daten der vorangegangenen auf und erzeugt zugleich eine neue Kennziffer. Bei ein paar hundert Transaktionen pro Sekunde sei das noch zu bewältigen, sagen Experten, bei ein paar tausend werde es schon zu einem Problem. Die Datenmenge der „Transaktionshistorie“ werde einfach zu groß. Bis hin zum Tod des Systems, weil es an der Datenmenge erstickt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort