Höchststände am Kapitalmarkt An den Börsen läuft die Rekordjagd immer weiter

Berlin · Derzeit scheint der Glaube an Kursgewinne unerschütterlich. Doch Experten schließen ein Ende der Party nicht aus.

 Viel zu tun in New York: Die Börsenspezialisten Kevin Walsh (l.) und Jay Woods.

Viel zu tun in New York: Die Börsenspezialisten Kevin Walsh (l.) und Jay Woods.

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Höher immer, rückwärts nimmer. So ist derzeit die Stimmung an den Finanzmärkten. Der Dax jagt von Rekord zu Rekord und Kursrückschläge gibt es nur in geringem Umfang. Der Wertgewinn für die Aktienbesitzer ist enorm. Ende 2009 notierte der Deutsche Aktienindex (Dax) noch bei 3666 Punkten. Bis Anfang dieses Jahres hat sich der Wert der 30 größten deutschen Unternehmen mit 11 426 Punkten fast verdreifacht. Heute hat die Kurve bereits die Marke von 13 000 Punkten erreicht. Und von Nervosität angesichts der rasanten Vermögensmehrung ist weltweit immer noch wenig zu spüren. Auch der amerikanische Leitindex Dow Jones hat lichte Höhen erreicht.

Die meisten privaten Sparer in Deutschland sind bei der Rallye bisher leer ausgegangen. Aktien genießen hierzulande keinen guten Ruf als sichere Geldanlage. Lohnt es sich jetzt noch, auf den fahrenden Zug aufzuspringen? Schließlich ist der aktuell stetige Aufwärtstrend ungebrochen. Finanztip-Chef Hermann-Josef Tenhagen rät dazu, selbst bei diesem hohen Kursniveau. Als Beleg führt der Verbraucherschützer die Kursentwicklungen der Vergangenheit an. Wer sein Geld 15 Jahre lang in Aktien liegen lassen kann, gehörte demnach auch bei zwischenzeitlichen Kurseinbrüchen zu den Gewinnern. Statt auf ein einziges Unternehmen sollten die Sparer jedoch auf ein ganzes Bündel setzen. Dies ermöglichen sogenannte Exchange Traded Funds (ETF). Mit Sparplänen lässt sich die Gefahr hoher Verluste bei einem Crash minimieren.

Aber nährt Tenhagen mit diesem Ratschlag nicht eine „Dienstmädchen-Hausse“? So nennen Börsianer die letzte Phase vor einem Crash, wenn selbst Niedriglöhner ihre Euro in der Hoffnung auf schnelle Gewinne an die Börse tragen und die ersten Profis schon wieder aussteigen. Zurzeit gibt es kaum Hinweise auf ein Ende der Rekordjagd. Die Kursausschläge sind gering. Mangels alternativer Geldanlagen kaufen die Anleger Aktien. Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen derzeit. Die Weltkonjunktur läuft passabel und selbst die europäischen Krisenländer verzeichnen wieder Wachstum. Das sorgt für die gute Laune der Anleger. Die Krisensymptome, vom Konflikt zwischen den USA und Nordkorea über die unberechenbare Politik des US-Präsidenten Donald Trump bis hin zur ultralockeren Geldpolitik der Zentralbanken, werden von den Marktteilnehmern ausgeblendet.

Treiber der Vermögensmehrung ist vor allem die weltweite Niedrigzinspolitik, auch der Europäischen Zentralbank. Kredite kosten so gut wie nichts. Die üblichen Geldanlagen, wie jeder Sparer leidvoll erfahren muss, bringen nichts mehr ein. „Zu viel Geld ist auf der Jagd nach zu wenigen ertragreichen Anlagen“, stellt der Direktor für Geldpolitik und Kapitalmärkte beim Internationalen Währungsfonds (IWF), Tobias Andrian, fest. Dem IWF macht die weltweit extrem hohe Verschuldung bereits Sorgen. Auch der scheidende Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht die Gefahr einer neuerlichen Finanzkrise und sprach kürzlich von „neuen Blasen“.

Solange die Geldmaschine der Zentralbanken läuft und keine politische Krise die gute Stimmung trübt, könnte die ungesunde Rekordjagd bei Dax und Dow weitergehen. Läutet die EZB jedoch die Zinswende ein oder gerät der Nordkorea-Konflikt außer Kontrolle, könnte das Gegenteil, eine rasante Talfahrt einsetzen. Der Chefberater der Allianz, Mohamed El-Eiran, beoabachtet eine übertriebene Risikobereitschaft der Anleger, die im Notfall fest mit Hilfe der Notenbanken rechnen würden. Es brauche wohl einen schweren Schock, so der Finanzmarktexperte, um diese Zuversicht zu erschüttern. Wie lange die Rallye noch anhält, oder wann es zu starken Abwärtsbewegungen kommt, vermag jedoch keiner der Experten verlässlich zu sagen.

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