Interview mit Microsoft-Führungskraft „Mädels, traut Euch!“

Bonn · Microsoft-Führungskraft Tanja Böhm appelliert an junge Frauen, sich für einen IT-Beruf zu entscheiden. Am wichtigsten sei das Interesse.

 Diese beiden Schülerinnen betrachten ein optisches Modul mit einem grünen Faserlaser.

Diese beiden Schülerinnen betrachten ein optisches Modul mit einem grünen Faserlaser.

Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb

Auf sechs männliche IT-Spezialisten kommt heute immer noch höchstens eine Frau. Woran liegt's?

Tanja Böhm: Es gibt eine Vielzahl von Gründen. Die Weichen, welche Interessen und Spezialisierungen junge Menschen später verfolgen, werden bereits in der Jugend gestellt. Hier fehlt es speziell den Mädchen an konkreten Vorbildern. Werfen wir einen Blick auf die Geschichte der Naturwissenschaften, dann fallen uns Marie Curie oder Ada Lovelace ein, aber in der jüngeren Vergangenheit gibt es wenige weibliche IT-Protagonisten. Es muss also verstärkt in digitale Bildung investiert werden.

Ist am Mutmacher „Mädels, traut Euch!“ für den IT-Bereich was dran?

Böhm: Eine aktuelle Microsoft-Studie zu Mint-Zahlen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik, d.Red.) zeigt, dass sich 40 Prozent der befragten Mädchen zwischen elf und 16 Jahren durchaus eine Karriere in einer naturwissenschaftlichen oder technischen Disziplin vorstellen können. Mädchen lehnen solche Fächer nicht per se ab. Erst mit 16 Jahren lässt das Interesse abrupt nach, aufgrund fehlender Vorbilder und mangelnden Selbstvertrauens. „Mädels, traut Euch!“ ist eine wichtige Botschaft, aber noch wichtiger ist, dass Mädchen breit unterstützt werden.

Was leisten Bildungsinitiativen, Mädchen für den Mint-Bereich zu gewinnen?

Böhm: Sie können einen großen Beitrag für die Medienkompetenz von Mädchen wie auch Jungen liefern, indem sie mit Projekten wie „Code Your Life“ gezielte Angebote schaffen, die es ermöglichen, Programmieren auf sehr spielerische Art im Lehrplan zu integrieren. Nach Einschätzung der EU-Kommission werden in rund 90 Prozent aller Berufe digitale Kompetenzen erforderlich sein.

Immerhin steigt die Prozentzahl der Informatik-Studienanfängerinnen aktuell an.

Böhm: Eine sehr positive Entwicklung, die zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber es ist erst der Anfang, es ist wichtig, noch stärker und intensiver das Interesse von Frauen und Mädchen an IT zu steigern.

Welche Voraussetzungen sollten Frauen im IT-Bereich mitbringen?

Böhm: Wichtig ist vor allem ihr Interesse. Mit dem bilden sich auch die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten. Die Studie, von der ich eben sprach, zeigt, dass Mädchen die Möglichkeiten, Dinge selber zu entdecken und erforschen, interessant finden.

Sind die Arbeitsbedingungen in der IT-Branche so, dass sie Frauen reizen?

Böhm: In dem Bereich hat sich die Branche stark entwickelt. Wir bei Microsoft sprechen vom sogenannten Work-Life-Flow. Das steht für die Überzeugung, dass eine individuelle Gestaltung des Alltags mit fließenden Übergängen zwischen Arbeit und Privatem möglich ist, und bedeutet konkret, am Vertrauensarbeitsort zur Vertrauensarbeitszeit arbeiten zu können.

Es geht also um Home-Office und Teilzeitmodelle. Und um Kinderbetreuung?

Böhm: Ja, mit dem Ziel, die Möglichkeit zu geben, berufliche und private Bedürfnisse individuell und flexibel zu organisieren. In unserer neuen Unternehmenszentrale in München-Schwabing gibt es gar keine klassischen Büros und festen Arbeitsplätze mehr. Stattdessen gilt auch dort volle Flexibilität – und die Möglichkeit, je nach Bedürfnis, Tätigkeit und Teamzusammensetzung eine passende Arbeitsumgebung zu wählen.

Sind in Ihrer Branche durch die weibliche Sicht neue Ansätze möglich?

Böhm: Aktuell wird die überwiegende Mehrheit der Anwendungen, die wir täglich nutzen, von männlichen, meist amerikanischen Softwareingenieuren geschrieben. Ich denke, die Integration einer weiblichen und internationaleren Perspektive bereits im Entstehungsprozess solcher Anwendungen birgt unheimlich viel Potenzial. Es wäre fahrlässig, dieses zu vernachlässigen.

Tanja Böhm spricht am 17. Februar um 18 Uhr im Münster-Carré, Gangolfstraße 14, auf Einladung des Zonta-Clubs und des UN Women Nationales Komitee Deutschland. Anmeldung per Email: info@unwomen.de.

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