Peter Altmaier und Frank Appel im Interview Zustellung soll geräuschlos und abgasfrei werden

Bonn · Das Pilotprojekt CO2-freie Zustellung führt den Logistikkonzern mit dem Bundesumweltministerium zusammen. Post-Chef Frank Appel und Bundesumweltminister Peter Altmaier stellten sich zum Interview.

Wieso wird das Projekt gerade in Bonn umgesetzt?
Peter Altmaier: Ein schöner Zufall ist, dass sowohl Herr Appel als auch ich unseren ersten Dienstsitz hier in Bonn haben. Bonn hat sich außerdem als Umweltstadt international einen Namen gemacht, zum Beispiel mit dem Klimasekretariat. Und Bonn ist eine große, aber überschaubare Stadt und deswegen der richtige Maßstab.
Frank Appel: Wir haben hier unsere Zentrale und den großen Vorteil, dass wir nicht nur wie überall viele Kunden erreichen, sondern auch viele Mitarbeiter. Wir haben also nicht nur Signalwirkung nach außen mit so einem Pilotprojekt, sondern auch nach innen.

Unterstützt das Umweltministerium das Vorhaben finanziell?
Altmaier: Ja. Wir unterstützen das Projekt finanziell in der Größenordnung von insgesamt 5,7 Millionen Euro, was in der heutigen Zeit sehr viel ist für ein einziges Projekt. Das bringt zum Ausdruck, dass es uns um mehr geht als nur um finanzielle Zuwendung. Es geht uns um ein Leuchtturmprojekt. Die Logistik wird erheblich an Bedeutung gewinnen. Wir wissen ja, dass wir im Verkehr einen großen Teil der fossilen Energie verbrauchen. Deswegen brauchen wir innovative Konzepte.

Konzepte für welche Ziele?
Altmaier: Wir brauchen einen Impuls für den Ausbau der Elektromobilität in Deutschland. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, eine Million Elektro-Fahrzeuge bis zum Jahr 2020 auf die Straße zu bringen. Wenn wir das erreichen wollen, müssen wir uns beeilen. Und deshalb kommt es mir sehr darauf an, dass wir die Fahrzeugflotten sehr viel stärker in den Blickpunkt rücken. Wir haben mit der Post einen Partner, der die Frage der Klimaneutralität zu einem Markenzeichen macht.

Deutsche Post und Bundesumweltministerium: Pilotprojekt Co2-freie Zustellung
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Deutsche Post und Bundesumweltministerium: Pilotprojekt Co2-freie Zustellung

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Gibt es vergleichbare Projekte in Deutschland?
Altmaier: Es wird an vielen Stellen an Kohlendioxid-Reduktionen gearbeitet. CO2-neutrale Zustellung ist ein Schlagwort, das sich in den vergangenen Monaten an vielen Stellen Autorität verschafft hat. Aber so weit wie die Post an diesem Standort ist sonst niemand. Das ist international wegweisend.
Appel: Soweit wir das wissen, ist das das erste Projekt weltweit, bei dem nur Elektrofahrzeuge eingesetzt werden. Wir haben selber in New York/Manhattan schon seit drei Jahren einen Test laufen, bei dem wir eine Mischung aus Elektro- und Hybridfahrzeugen einsetzen. Aber in der Größe wie hier in Bonn gibt es das nirgendwo. In der Tat ist die Unterstützung des Bundes wichtig, denn mit unseren Partnern geben wir etwa 14 Millionen Euro aus. Das Geld brauchen wir vor allem für die Fahrzeuge, die heute deutlich teurer sind als konventionelle Transporter. Auch die Post investiert also.

Auch in noch größerem Umfang?
Appel: Wir hoffen, dass wir positive Erfahrungen sammeln, besonders beim Fahrzeugverhalten im Winter. Denn niedrige Temperaturen bedeuten eine erhebliche Einschränkung bei der Leistung der Batterien. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch mit mehreren Partnern arbeiten, um Vergleichsmöglichkeiten zu haben.

Wird also Druck aufgebaut auf die Automobilindustrie, die zuletzt noch nicht das geleistet hat, was der Markt wünscht?
Appel: Wir arbeiten mit drei Herstellern zusammen, Renault, Iveco und Mercedes. Zusätzlich aber auch mit der StreetScooter GmbH, weil wir eben glauben, selber gestalten zu müssen. In Aachen wurde dieses Auto nach unseren Bedürfnissen entwickelt.
Altmaier: Die großen Automobilhersteller haben in den letzten beiden Jahren darauf gesetzt, Angebote im Pkw-Bereich zu schaffen. Teilweise übersehen wurde das hohe Potenzial im Bereich der Fahrzeugflotten von Logistik-Unternehmen, aber auch bei Behörden, Handwerk und Gewerbe.

Geht die Post aus der Not geboren unter die Autobauer?
Appel: Nein. Wir glauben aber, dass wir dem Thema noch zusätzliche Dynamik verleihen können. Wir haben in Deutschland den Vorteil hervorragende Ingenieure zu haben, nicht nur in den Unternehmen, auch an den Hochschulen. Und deswegen haben wir mit StreetScooter einen innovativen Partner gefunden. Wettbewerb ist schließlich immer gut.

Wie haben Sie Ihre Mitarbeiter in den Prozess der Fahrzeugentwicklung, zum Beispiel beim StreetScooter, einbezogen?
Appel: Wir haben die Mitarbeiter intensiv eingesetzt, um zu testen, wie der Sitz gestaltet sein muss oder die Türen geöffnet werden sollen. Diese Dinge können die Zusteller beurteilen, weil sie die praktische Erfahrung haben.

Ist es ein ehrgeiziger oder sogar ein tollkühner Plan, ab 2016 die ganze Bundesrepublik schrittweise im Zustellbereich mit Elektrofahrzeugen zu bestücken?
Appel: Es ist ein ehrgeiziger, kein tollkühner Plan. Wenn wir das in den gesamten Rollout geben, muss sich das ökonomisch aber rechnen. Da sind wir durchaus zuversichtlich. Wenn die Annahmen zutreffen, die wir momentan vom Pilotprojekt in Bonn erwarten, dann sollte sich das letztlich aufgrund der Treibstoffersparnis im Vergleich zum Stromverbrauch rechnen. Die Fahrzeuge müssen aber günstiger werden. Wenn der Stromverbrauch so niedrig ist, wie wir ihn uns wünschen, und die Ölpreissteigerung eintrifft wie prognostiziert, dann sollte sich daraus ein positiver Wirtschaftsplan entwickeln.

Wie soll die Umsetzung in Deutschland ab 2016 laufen?
Appel: Über 2015 hinaus haben wir noch nicht geplant. Wir werden den StreetScooter schon heute in anderen Teilen des Landes einsetzen. Zum Bespiel in Gebieten, die auf jeden Fall schneesicher sind. Es gibt aber auch eine andere Herausforderung, die im Bereich des Verkehrsministers liegt: Anders als beim StreetScooter sind die reinen Paketfahrzeuge wegen der Batterien schwerer und wiegen bei gleicher Zuladung mehr als 3,5 Tonnen. Man darf mit einem Führerschein der Klasse 3 heute aber nur bis zu 3,5 Tonnen fahren, früher waren es bis 7,5 Tonnen. Aus diesem Grund bräuchten viele junge Paketfahrer einen Lkw-Führerschein. Das geht natürlich nicht, deswegen muss man da eine Regelung herbeiführen.

Wann werden Bundeseinrichtungen wie die Bundeswehr auf E-Fahrzeuge umstellen?
Altmaier: Ich glaube, dass der Zeitrahmen zwischen 2015 und 2018 der kritische Zeitpunkt ist. Wenn wir es schaffen, in diesem Zeitraum umzustellen, dann schaffen wir es auch, eine Million Fahrzeuge bis 2020 auf die Straße zu bringen.

Zur Person

Frank Appel ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post AG, wurde damals Nachfolger von Klaus Zumwinkel und ist vom Aufsichtsrat bis 2017 zum Post-Chef bestellt. Der 51-Jährige wohnt in Königswinter und ist schon seit dem Jahr 2002 Mitglied des Vorstandes. Appel leitet einen Konzern mit weltweit 475000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt 55 Milliarden Euro.

Peter Altmaier wurde am Mittwoch vor einem Jahr von der Bundeskanzlerin zum Nachfolger von Bundesumweltminister Norbert Röttgen ernannt. Zuvor war der 54-Jährige parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU Bundestagsfraktion. Der Jurist ist seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages.

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