Kaffeekapseln wissenschaftlich betrachtet Wie sich Frauen in Technikberufen schlagen

Sankt Augustin · Eine Kölner Maschinenbaustudentin schreibt ihre Masterarbeit bei Kuhne in Sankt Augustin. Warum das etwas Besonderes ist.

 Vor dem Eingang der Firma Kuhne in Sankt Augustin: Marianne Reiche.

Vor dem Eingang der Firma Kuhne in Sankt Augustin: Marianne Reiche.

Foto: Holger Arndt

Frauen haben sich schon viele typische Männerberufe erobert, aber im Maschinenbau sind sie immer noch nicht selbstverständlich. Marianne Reiche ist auf dem Weg dahin. Die 28-Jährige studiert Maschinenbau an der Technischen Hochschule Köln im Masterstudiengang. Im Herbst 2016 hatte sie mit 30 Kommilitonen angefangen, unter ihnen gerade mal zwei Frauen.

Einer, der sehr froh ist, dass Reiche den Weg in sein Unternehmen gefunden hat, ist Peter Kuhne. Seine Firmengruppe Kuhne Maschinen- und Anlagenbau in Sankt Augustin sucht fast schon verzweifelt Fachkräfte. Mehrere Stellen sind unbesetzt, weil der Kunststoffspezialist einfach keine Bewerber findet. Marianne Reiche hat ein Forschungsthema für ihre Masterarbeit gesucht und bei Kuhne gefunden.

Medizin war nichts für sie

Dabei hatte auch die Kölnerin nicht gleich direkt Maschinenbau studiert, sondern zunächst Industrial Design Engineering, was eine Kombination aus Design und Maschinenbau ist. „Medizin oder Jura waren nichts für mich, ich wollte etwas Technisches machen, den Aspekt Design fand ich gut.“ In ihrem Bachelorstudium erwarb sie sich das Wissen, nicht nur schöne Formen zu entwerfen, sondern auch gleich an die Umsetzbarkeit mitzudenken. Informationen zum Studium hatte sie im Internet gesucht. Ein Tag der offenen Tür an der Universität Fontys im niederländischen Venlo gab den Ausschlag, dort zu studieren.

Politik, Wirtschaft und Wissenschaft haben zahlreiche Initiativen gestartet, um junge Menschen und speziell Frauen für Mathematik, Naturwissenschaften und Technik, die sogenannten MINT-Fächer, zu interessieren. Eine heißt „Komm, mach MINT“, eine nationale Netzwerkinitiative mit über 250 Partnern. Am „Girls' Day“ (der nächste ist am 26. April) erkunden junge Mädchen für einen Tag Unternehmen und Behörden, um sich beruflich zu orientieren.

Regional gibt es „Tuwas!“, das die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg 2008 von Berlin an den Rhein geholt hat. Die Abkürzung steht für „Technik und Naturwissenschaften“ und richtet sich vor allem an Grundschüler. 43.000 Kinder haben seitdem an Projekten des forschenden Lernens in Themengebieten aus Biologie, Physik, Chemie und Technik teilgenommen. Trotzdem ist der Anteil der weiblichen Erstsemester im Maschinenbau weiterhin gering: Von knapp 35.000 Studienanfängern im Maschinenbau waren 2016 22 Prozent weiblich. 20 Jahre zuvor war aber nur jeder zehnte eine Frau.

Sie untersucht die Dichte von Kaffeekapseln aus Kunststoff

Bei Kuhne untersucht Reiche die Barriereeigenschaften von Kunststoffverpackungen. Ziel der Entwickler bei Kuhne ist es, eine möglichst hohe Dichte des Materials gegen den Austritt von Wasserdampf und Sauerstoff zu erreichen, während etwa UV-Strahlen nicht eindringen sollen. Um dahin zu kommen, werden mehrere hauchdünne Kunststoffschichten durch Kleber verbunden. „Es gibt 70, 80 verschiedene Kunststoffarten, und jede hat eine andere Barriere“, erklärt Kuhne. „Wir wollen mit Frau Reiches Hilfe eine Versuchsreihe fahren, weil wir die Barriereeigenschaft noch nicht wissenschaftlich untersucht haben, dafür blieb nie die Zeit.“

Die Kuhne Group ist Weltmarktführer bei Kaffeekapseln und Blutbeuteln, die auf den Maschinen aus Sankt Augustin hergestellt werden. Für seine Verfahren hält das Unternehmen viele Patente.

Geschäftsführer Kuhne wirbt für das Fach Maschinenbau, weil es „viel mehr Jobmöglichkeiten“ biete als etwa Design: „Wenn ein Maschinenbauingenieur Geschmack hat, kann er auch eine Kaffeekanne entwerfen. Aber ein guter Designer kann meistens keine gute Maschine bauen“, erklärt Kuhne.

Die Vorteile von Ausbildungsberufen

Außerdem hält er viel von Ausbildungsberufen, nicht immer müsse es ein Studium sein, rät er. „Schauen Sie, einer unserer Geschäftsführer hat eine Lehre gemacht und kein Studium. Es gibt irre viele Möglichkeiten, sich beruflich nach einer Lehre weiterzuentwickeln.“ Das Wichtigste sei, Spaß an der Sache zu haben.

Kuhne, dessen Tochter eine Mechatronikerlehre absolviert hat, schätzt außerdem an seinem weiblichen Nachwuchs: „Unsere Erfahrung ist, dass Frauen ihren Job oftmals besser als Männer machen, weil sie ernsthafter an eine Sache rangehen.“

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