Die Akte Helena Wie es zum RWE-Eon-Deal kam

Essen · Unter Geheimnamen bereitete RWE den Verkauf von Innogy an Eon vor. Am Anfang waren nur die Chefs eingeweiht.

Verbindungsstücke für Windkraftanlagen: RWE will sich nach dem Tauschgeschäft mit Eon auf die Stromerzeugung aus erneuerbaren und konventionellen Energien konzentrieren.

Verbindungsstücke für Windkraftanlagen: RWE will sich nach dem Tauschgeschäft mit Eon auf die Stromerzeugung aus erneuerbaren und konventionellen Energien konzentrieren.

Foto: picture alliance / Stefan Sauer/

Sie kennen sich seit Jahrzehnten, waren gemeinsam Manager bei Veba, dann harte Rivalen: Johannes Teyssen machte Karriere bei den Roten und stieg zum Eon-Chef auf. Rolf Martin Schmitz machte Karriere bei den Blauen und wurde RWE-Chef. Auch am Dienstag waren ihre Krawatten wieder rot und blau. Doch sonst wird alles anders: „Wir machen einen der kreativsten Deals der deutschen Industriegeschichte“, sagte Teyssen, als er und Schmitz am Dienstag in der Messe Essen den gemeinsame Umbauplan erläuterten. Gemeinsam zerlegen sie die RWE-Tochter Innogy, Eon wird größter Netzkonzern und RWE drittgrößter Ökostrom-Konzern in Europa. Bis zu 5000 Mitarbeiter müssen gehen. Die Akten „Helena“ und „Livewire“ können geschlossen werden.

Unter diesen Codenamen liefen seit Monaten die Vorbereitungen bei RWE und bei Eon. So wie die Griechen sich die sagenhaft schöne Helena aus Troia zurückholen wollten, holt sich RWE das vor zwei Jahren in Innogy abgespaltene Ökostromgeschäft zurück. Auch bei Eon war man kreativ: Eon tauchte in den geheimen Dokumenten zu „Livewire“ als „Samsung“ auf, RWE als „Google“ und Innogy als „Intel“. Ziel der Geheimniskrämerei: Sollte jemals ein Dokument in falsche Hände geraten, sollte keiner Rückschlüsse darauf ziehen können, um was es wirklich geht.

Man traf sich auf neutralem Boden

Am Anfang waren nur die Chefs eingeweiht. Wer von ihnen die Idee hatte und beim anderen anrief, wollen sie nicht verraten. Teyssen lässt durchblicken, dass er es war: „Eon war immer Treiber der Branche.“ Schmitz hatte schon vor einem Jahr erklärt, man prüfe für die Tochter Innogy, in die RWE sein Netz- und Ökostromgeschäft abgespalten hat, alle Optionen. Alle hieß alle – und die nun gefundene Lösung hat aus Sicht der Gewerkschaften den Charme, dass Innogy nicht an einen ausländischen Konkurrenten geht und Eon nicht, wie von ausländischen Investoren gefordert wurde, zerschlagen wird. Schmitz und Teyssen trafen sich auf neutralem Boden, etwa bei Anwaltskanzleien, wo sie auch schon mal durch die Hintertür kamen, um nicht gemeinsam gesehen zu werden. Unterschiedlich vom Naturell – Schmitz geht gerne zum Karneval, Teyssen lieber zum FC Bayern – gingen sie zum Du über.

Sie bezogen immer mehr Mitarbeiter ein: Strategen, Finanzprofis, Rechtsexperten. Jeder Eingeweihte musste unterschreiben, dass er Insider ist und bei Strafe der Pensionsstreichung Schweigen geloben. Allein bei Eon sollen mehr als 100 Mitarbeiter auf der Insiderliste gestanden haben. Ähnlich lang war die Liste, die bei RWE am Projekt „Helena“ beteiligt waren.

Auch ausländische Konzerne hatten vorgefühlt

Schmitz und Teyssen weihten IG- BCE-Chef Michael Vassiliadis und Verdi-Chef Frank Bsirske ein: Gegen die beiden gut organisierten Gewerkschaften lässt sich in Deutschland kein Geheimplan zum Stellenabbau schmieden. Schmitz’ Argument: „Wenn zwei führende Unternehmen ihre Kräfte bündeln, zahlt sich das langfristig auch für die Mitarbeiter aus.“ Zudem konnte der RWE-Chef dezent darauf verweisen, dass auch ausländische Konzerne vorgefühlt haben – und das gefällt den Gewerkschaften noch viel weniger.

„Am Ende ging alles ganz schnell, und wir haben den Deal nach schöner deutschen Beamtenart durchverhandelt“, sagt Schmitz. Der 13. März, der Dienstag, an dem RWE eigentlich seine Bilanz vorstellen wollte, wurde zum E-Day auserkoren – zum Tag, der die Energiebranche revolutionieren sollte. Für Sonntag bestellten die Konzerne ihre Aufsichtsräte ein. Prompt sickerte etwas nach außen. Sonntag um 1.20 Uhr machten RWE und Eon ihre Pläne öffentlich. Das verlangen die Börsenaufsichtsregeln: Wer in dieser Phase lügt, darf sonst den Deal nicht machen. Am Montag wurde die Vereinbarung unterzeichnet.

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