Petition von Vera Dietrich Wie eine Bonnerin gegen Abmahnmissbrauch kämpft

Bonn · Die Bundesregierung arbeitet an einem Gesetz zur Stärkung eines fairen Wettbewerbs: Damit soll das Treiben gewerbsmäßiger Abmahnvereine begrenzt werden. Genau das hatte die Bonner Kleinunternehmerin Vera Dietrich in einer Petition an den Bundestag gefordert.

 Die Bonnerin Vera Dietrich hat über eine Petition an den Bundestag erreicht, dass der Gesetzgeber den Abmahnmissbrauch eindämmen will.

Die Bonnerin Vera Dietrich hat über eine Petition an den Bundestag erreicht, dass der Gesetzgeber den Abmahnmissbrauch eindämmen will.

Foto: Benjamin Westhoff

Sie ist eigentlich schon recht weit gekommen: Im Kampf gegen den Abmahnmissbrauch hat die Bonnerin Vera Dietrich über eine Petition an den Bundestag erreicht, dass die Regierung Gesetzesänderungen vorbereitet, die missbräuchliche Abmahnungen eindämmen sollen. Doch die Beratungen ziehen sich seit Veröffentlichung eines Referentenentwurfs für ein „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ bereits über ein halbes Jahr hin. Und ob die Koalition damit wirklich den Vereinen das Handwerk legen wird, die das Wettbewerbsinstrument Abmahnung als Geschäftsmodell betreiben, ist auch noch nicht sicher.

Bisher liegt nur ein Entwurf vor

Das Bundesjustizministerium geht in dem im Sommer 2018 vorgelegten Gesetzentwurf davon aus, dass es 2017 rund 16.000 missbräuchliche Abmahnungen nach dem Wettbewerbsrecht gab – zehn Prozent aller Abmahnungen in dieser Kategorie. Die Kosten für die Wirtschaft bemaß sie auf 1,7 Millionen Euro in dem Jahr. Kommen die geplanten Verschärfungen, soll es nur noch halb so viele Missbrauchsfälle geben, was die Unternehmen um rund 860 000 Euro jährlich entlasten würde, heißt es.

Eingeweihte sprechen davon, dass es bei dem geplanten Gesetz eigentlich um eine „Lex Ido“ gehe. Gemeint ist der „Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen“ (Ido) in Leverkusen, gegen den mehrere Staatsanwaltschaften in Deutschland wegen Betrugsvorwürfen strafrechtlich ermittelt haben. Auch wegen falscher eidesstattlicher Aussagen standen Mitarbeiter schon unter Verdacht. In Köln läuft noch ein Sammelverfahren der Staatsanwaltschaft unter anderem gegen die Vorsitzende Sarah Spayou. Verschiedene Anklagen der Kölner Strafverfolgungsbehörden hatte das Amtsgericht Leverkusen aber mangels Tatverdachts nicht zugelassen.

Bonnerin war Opfer eines Abmahnvereins

Ein Opfer des Ido ist Vera Dietrich selbst. Die Bonner Kleinunternehmerin war 2017 von dem Verein abgemahnt worden, weil sie die Materialzusammensetzung eines Schals in ihrem Onlineshop nicht korrekt angegeben hatte. Dietrich zahlte die Abmahngebühr, lehnte aber die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung ab, weil sie befürchtete, durch den Ido in eine Spirale immer höherer Vertragsstrafen getrieben zu werden. Der Ido verklagte die Kleinunternehmerin, verlor jedoch später den Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Köln. Dietrich konnte in der mündlichen Verhandlung im November 2018 nachweisen, dass die vom Kläger vorgelegte Mitgliederliste fehlerhaft war, etwa dass Betroffene gar nicht mehr Mitglied waren.

Die Listen sind bei den Gerichtsverfahren der zentrale Punkt, denn sie belegen, ob ein Verband überhaupt abmahnen darf. Dies ist gegeben, wenn er unter seinen Mitgliedern eine gewisse Anzahl Mitbewerber aus der Branche des abgemahnten Unternehmens hat. Da es sich um Zivilverfahren handelt, haben die Gerichte allerdings wenig Möglichkeiten, die Korrektheit der Mitgliederlisten zu überprüfen. Im Verfahren vor dem OLG Köln war es nur den Bemühungen der Beklagten Dietrich zu verdanken, dass die Fehlerhaftigkeit der Liste zutage kam, weil sie jede Adresse auf der Liste eigenhändig überprüft und die Personen kontaktiert hatte – in rund der Hälfte der Fälle allerdings vergeblich.

Engere Grenzen vorgesehen

Um solche Probleme zu vermeiden und es Gerichten zu erleichtern, Missbrauch festzustellen, sollen künftig nur noch Vereine abmahnen können, die beim Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn registriert sind. Kritiker fordern, hohe Hürden für die Registrierung aufzustellen und sie engmaschig überprüfen zu lassen. Bei missbräuchlich tätigen Vereinen besteht nämlich der Verdacht, dass sie Gewerbetreibende über die Abmahnungen in eine Mitgliedschaft drängen – eine Form der Schutzgelderpressung.

So fordert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dass die Verbände keine Gratismitgliedschaften anbieten dürften. Sie sollten dem BfJ Jahresabrechnungen, die Art der abgemahnten Fälle und Steuerbescheide vorlegen müssen. So könne das BfJ überprüfen, ob sie nur vom Abmahnen leben oder ihre Mitglieder tatsächlich zum Wettbewerbsrecht beraten und informieren, wie sie vorgeben. Auch Gerichte sollten das BfJ über Beschlüsse in Abmahnverfahren auf dem Laufenden halten.

Ein springender Punkt bei den Abmahnungen sind ferner die Abmahngebühren und Vertragsstrafen. Laut Gesetz dürfen nur die dem Abmahnenden tatsächlich entstandenen Kosten umgelegt werden auf den Abgemahnten. Es besteht nämlich der Verdacht, dass bei Abmahnmissbrauch den Betroffenen überhöhte Kosten in Rechnung gestellt werden. Künftig sollen daher bei „unerheblichen Verstößen“ (etwa dass in der Widerrufsbelehrung „2 Wochen“ statt „14 Tage“ steht) die Abmahngebühren wegfallen, und die Vertragsstrafe bei wiederholten Verstößen soll auf 1000 Euro begrenzt werden. Hier fordert der DIHK, dass die Vertragsstrafe künftig nicht dem Abmahnenden, sondern dem Staat zufällt.

"Denkfehler" im Gesetzesentwurf

Der Rostocker Rechtsanwalt Johannes Richard, der abgemahnte Gewerbetreibende vertritt, bezweifelt, dass man Betrügern so auf die Spur kommen kann: „Gerade missbräuchliche Abmahnungen sind in der Regel immer berechtigt. Es werden Themen abgemahnt, die sich dann vor Gericht einfach durchsetzen lassen können.“ Richard sieht einen „Denkfehler“ im Gesetzentwurf. Der bestehe darin, anzunehmen, „dass vielfache Fehler, die vielfache Abmahnungen zur Folge haben, nicht erheblich sind“.

Als Beispiel führt der Jurist eine falsche oder fehlende Widerrufsbelehrung an, die ein häufiges Abmahnthema sei: „Dieser Verstoß ist durchaus erheblich, da der Verbraucher in diesem Fall nicht über seine Rechte informiert wird.“ Wegen dieser definitorischen Krux – der schwierigen Abgrenzung zwischen erheblichen und unerheblichen Verstößen – befürchtet Richard, dass sich die Koalition nicht so schnell einigen wird.

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