Firmen bei uns Von der Garagenfirma zum Marktführer in Troisdorf

Troisdorf · Die Automatenstickerei AS Aktuell in Troisdorf-Spich veredelt seit 40 Jahren Berufskleidung. Digitalisierung wird groß geschrieben.

 AS-Aktuell-Mitinhaber Bengt Wölk vor einer Stickereimaschine in seinem Werk in Spich.

AS-Aktuell-Mitinhaber Bengt Wölk vor einer Stickereimaschine in seinem Werk in Spich.

Foto: Holger Arndt

Am Anfang stand ein USA-Besuch: Auf einer Reise mit seiner späteren Ehefrau entdeckte Günter Wittmann die Automatenstickerei, die es in seiner Heimat noch nicht gab. Ganz fremd war dem jungen Mann das Textilgeschäft nicht, seine Eltern hatten einen Kurzwarenhandel betrieben, verkauften Garne, Knöpfe, Nadeln, Reißverschlüsse. Der Weg in die Selbstständigkeit begann für den gelernten Kaufmann 1978 in einer Garage in Beuel, die Wittmann zum Gewerberaum umbaute. Dort fand die erste Stickereimaschine ihren Platz, sie kostete 20.000 Mark und kam aus Hamburg.

Schon bald gehörte der Bayer-Konzern zu den Endkunden, was mit dazu beigetragen hat, dass Wittmann in der Veredelung von Berufskleidung eine Nische fand und daraus später sein Hauptgeschäft machte. „Berufsbekleidung wird häufig von Mietwäschefirmen bereitgestellt“, erklärt Bengt Wölk, der 1999 bei AS Aktuell einstieg und selbst aus einer Mietwäschefirma kam. Im Hotelgewerbe, in Restaurants und Krankenhäusern, wo Hygiene wichtig ist und Kleidung daher häufig gewaschen werden muss, rechnet es sich für Unternehmen oft, wenn sie die Ausstattung ihrer Beschäftigten an Externe vergeben.

Das I-Tüpfelchen eines solchen Services ist es, wenn die Arbeitsuniform nicht nur farblich einheitlich ist, sondern der Unternehmensname, die Funktion des Trägers oder sein persönlicher Name auf dem Rücken, der Brusttasche oder am Hemdkragen eingestickt oder aufgedruckt sind. Neben der Direkteinstickung fertigt man in Spich auch Embleme, die im Anschluss aufgenäht werden. Der Vorteil ist, dass sie mehrfach verwendbar sind, wenn das Kleidungsstück selbst längst ausrangiert wurde.

Verdrängungswettbewerb

„Unser Geschäft ist ein Mittelding zwischen Handwerk und Dienstleister“, sagt Wölk. Der 55-Jährige hat erst Kaufmann gelernt und studierte dann Textiltechnik in Mönchengladbach an einem von drei Textilinstituten in Deutschland. Die Textilindustrie hat es hierzulande in den vergangenen Jahrzehnten schwer gehabt, die Zahl der Beschäftigten halbierte sich quasi seit den 1990er Jahren, produziert wird häufig in Osteuropa und Südostasien. „Es ist ein Verdrängungswettbewerb“, erklärt Wölk. „Eine Überlebenschance hat man, wenn man hochflexibel und schnell ist.“

So garantiert AS Aktuell, dass die Kunden die Ware innerhalb von 24 bis maximal 72 Stunden erhalten. Für die Firmenkunden bieten die Spicher geschlossene Webshops an, in denen ihre Beschäftigten die Kleidung aussuchen und bestellen können. „Das wird sehr stark angenommen“, sagt Wölk. Die Entwicklung dieser Onlineangebote liegt in den Händen von vier Programmierern, die im firmeneigenen Rechenzentrum arbeiten. Die Nutzung von Software aus der Datenwolke, die Drittanbieter liefern, lehnt Wölk ab. „So können wir unsere Daten besser schützen.“ Zumal man viel eigene Programme entwickelt habe, die eventuell nicht zur Software von Dritten passen.

Fünf Millionen Teile pro Jahr

Auch beim Entwerfen des Stickdesigns beschleunigt es den Prozess, wenn der Kunde die Schnittstelle zu AS Aktuell nutzt. Stimmt er dem Gestaltungsvorschlag zu, folgt der Reinzeichnung das „Punchen“, die Programmierung der Fadenverläufe. „Das geht nicht alles über Software, teils muss manuell gearbeitet werden“, erklärt Wölk. Jährlich entwickelt AS Aktuell rund 4000 neue Stickprogramme, fünf Millionen Teile pro Jahr werden produziert. Damit hat man es bei der Veredelung von Berufskleidung laut Wölk zum Marktführer gebracht. Auch wenn es insgesamt rund 2000 Stickereien gebe, seien nur ein Dutzend von ihnen größere Unternehmen.

Von den derzeit 106 Mitarbeitern bei AS Aktuell sind etwa 80 am Stammsitz in Spich beschäftigt, die Hälfte in der Produktion. Kleine Ableger gibt es in der Schweiz und Polen. „Um die Liefergeschwindigkeit zu garantieren, produziert jeder Betrieb für sein Land“, sagt Wölk.

Nach der Jahrtausendwende war das Wachstum so rasant, dass AS Aktuell einen neuen Betriebssitz suchte, gern in Bonn, aber man wurde nicht fündig. „Wir sind enttäuscht von der Stadt, die uns bei der Suche nicht unterstützt hat“, beklagt Wölk. Nun ist man im Gewerbegebiet von Spich sehr froh, eine moderne Betriebsstätte zu haben. Weiter weg zu ziehen komme nicht in Frage: „Unsere Mitarbeiter sind uns sehr wichtig, sie machen unseren Erfolg aus“, sagt Wölk.

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