Unternehmen in Bonn Solarworld verzeichnet hohen Verlust

Bonn · Solarworld steckt in größeren finanziellen Problemen als bisher bekannt. Bei dem Bonner Konzern ist durch hohe Verluste das Eigenkapital knapp. Die Aktionäre kommen kurzfristig zusammen.

Nach der Sanierung ist vor der Sanierung. Für Solarworld geht es jetzt wieder ums Überleben. Der Solarkonzern musste am Dienstag eine so genannte Verlustanzeige machen: Die Muttergesellschaft Solarworld AG verzeichnet einen so hohen Verlust, dass die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt ist. Dieser resultiere im Wesentlichen aus Rückstellungen und Wertberichtigungen in Verbindung mit den eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen zur Erhöhung der Ertragsstärke, teilte das Unternehmen in einer Pflichtmitteilung für die Börse mit.

Eine Verlustanzeige gilt unter Experten als höchstes Alarmzeichen für Anleger. Der Gesetzgeber schreibt im Aktiengesetz für solche Fälle vor, dass das Unternehmen unverzüglich eine Hauptversammlung einberufen muss, um die Aktionäre über die Situation zu informieren. Der Termin dafür stand am Dienstag noch nicht fest.

Finanzvorstand Philipp Koecke führt die Entwicklung vor allem auf einen Zurechnungseffekt zurück: "Die Kosten für die eingeleiteten Maßnahmen zur Fokussierung lasten maßgeblich auf der Muttergesellschaft des Konzerns." In den Tochtergesellschaften im thüringischen Arnstadt und im sächsischen Freiberg sowie der US-Tochter in Hillsboro sei aber noch viel Substanz vorhanden, sagte ein Sprecher. An den bereits bekannten Geschäftszahlen für den SolarWorld-Konzern ändert sich dadurch nichts. Die Fokussierungsmaßnahmen liefen planmäßig. "Wir halten an unseren Zielen für 2017 fest", so Koecke. Details dazu würden im Geschäftsbericht 2016 und auf der Bilanzpressekonferenz am 29. März erläutert.

Eigenkapital sinkt

Das Eigenkapital sank im Geschäftsjahr 2016 nach Angaben der Fotovoltaikfirma auf 2,6 Millionen Euro. Grund sei ein Verlust nach Steuern in Höhe von 28,2 Millionen Euro. Für den Gesamtkonzern belief sich das Eigenkapital inklusive aller Einzelgesellschaften zum 31. Dezember 2016 auf 120,5 Millionen Euro. Dies entspricht einer Eigenkapitalquote von 18 Prozent.

"Eine schwierige Situation" sieht Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) für das Unternehmen. "Man kann nur hoffen, dass den Verantwortlichen noch etwas Schlaues einfällt." Wer die Entwicklung des Unternehmens verfolge, mache sich schon seit 2012 Sorgen, sagt Klose, der regelmäßig die Interessen von Aktionären, die ihre Stimmrechte der Schutzvereinigung überlassen, auf den Solarworld-Hauptversammlungen vertritt.

Bereits vor vier Jahren drohte der Solarworld die Insolvenz. Infolge des Preiskampfes mit Billiganbietern aus Asien verbuchte der Konzern in der Bilanz 2012 einen Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro. Das Eigenkapital war negativ. Damals einigte sich Asbeck mit den Gläubigern auf einen Schuldenschnitt. Sie verzichteten auf 60 Prozent ihrer Ansprüche und erhielten dafür Solarworld-Aktien. Die Aktionäre beschlossen einen Kapitalschnitt um 95 Prozent. Für frisches Kapital sorgte ein Investor aus Katar. Qatar Solar stieg mit 35 Millionen Euro ein und wurde mit 29 Prozent größter Einzelaktionär. Asbeck selbst gab frisches Kapital von rund zehn Millionen Euro. Er kam dann auf einen Aktienanteil von rund 20 Prozent.

Schadenersatzforderung von rund 720 Mio. Euro droht

Seitdem sind die Marktverhältnisse nicht einfacher geworden: "Der Wettbewerbsdruck ist enorm hoch", sagt Klose. Solarworld steht vor allem durch Billigkonkurrenz aus China finanziell stark unter Druck. Es gebe hohe Überkapazitäten am Weltmarkt. Chinesische Hersteller hätten ihre Lagerbestände zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt angeboten. Schutzmaßnahmen der EU helfen nur bedingt, weil chinesische Hersteller in Drittländer ausweichen. Das Unternehmen will sich deshalb stärker auf Hochleistungsprodukte fokussieren. Die Frage sei, so Klose, ob die Strategie Solarworlds, sich auf den europäischen Endkundenmarkt zu konzentrieren, genug einbringe.

Außerdem droht Solarworld eine Schadenersatzforderung von umgerechnet rund 720 Millionen Euro des ehemaligen Siliziumlieferanten Hemlock in den USA. Ein US-Gericht hatte diesen Anspruch im Sommer 2016 bestätig, Solarworld ist in Berufung gegangen. "Dieses Risiko spiegelt sich in den Zahlen überhaupt noch nicht wieder", meint Klose. Für den Aktionärsexperten geht es jetzt vor allem um die Frage, ob der Großaktionär aus Katar noch einmal bereits ist einzuspringen. "Es gibt große Unruhe unter allen Anlegern". Das einstige Aushängeschild der deutschen Solarbranche ist wieder angezählt.

Entscheidend für den Fortbestand einer Firma sei bei einer Verlustanzeige meist, ob zahlungskräftige Großaktionäre der Firma frisches Geld zuführen können, sagen Experten. Es gehe um mehr als hohe rote Zahlen. Die Situation signalisiere vielmehr, dass das Minus eine Grenze überschreitet, die der Gesetzgeber offenbar als kritisch betrachtet und daher Handlungsbedarf sehe. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung würden dann in der Regel finanzielle Gegenmaßnahmen wie Kapitalerhöhungen erörtert. Von besonderer Bedeutung sei die Aktionärsstruktur. So könne ein potenter Großinvestor unter Umständen eine Kapitalerhöhung garantieren.

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