Lehrstellen-Check So sieht die Arbeit einer Bestattungsfachkraft aus

Bonn · GA-Mitarbeiterin Victoria Thiele hat die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft getestet. Dabei hat sie den Auszubildenden Mika Jansen auf seinem Arbeitstag im Bestattungsinstitut Hebenstreit und Kentrup in Bonn begleitet

Es riecht gut in dem Raum, der mit Särgen gefüllt ist. Natürlich, nach Holz, irgendwie beruhigend. Sonne fällt auf die eleganten Kästen aus Eiche und Kiefer, an der Wand sind Urnen ausgestellt, von der kleinen Schwarzen bis zum aufwendig geschnitzten Modell im Harley-Davidson-Design.

Es ist Viertel vor acht, und mein Arbeitstag im Bestattungsinstitut Hebenstreit und Kentrup in Bonn beginnt – mit der Unterzeichnung einer Datenschutzerklärung. "Das nehmen wir hier sehr ernst", erklärt mir Bestattermeister Werner Kentrup, mein Ausbilder für einen Tag. Durch seine Hände gehen jeden Tag hochsensible Daten.

Mika Jansen, Auszubildender im ersten Lehrjahr, nimmt mich mit in den Keller, in dem sich die Kühlkammer befindet. Wir verladen einen Sarg ins Auto. Ich versuche kurz, die Holzkiste, in der eine Verstorbene liegt, zu bewegen. Für jemanden, der diese Arbeit nicht gewohnt ist, kostet das viel Kraft. Mika schiebt den Sarg dagegen anscheinend mühelos mit dem Rollwagen zum Auto.

Anschließend kommt Werner Kentrup aus dem Büro, und wir steigen ins Auto. Unsere erste Station ist das Bonner Standesamt, Sterbeurkunden abholen. Unterwegs frage ich Mika, warum er sich für die Ausbildung entschieden hat. Seiner Familie gehört ein Bestattungsunternehmen in Neunkirchen-Seelscheid. Die Großmutter hat es gegründet, die Eltern führen es, er wird es eines Tages übernehmen. "Aber erst wollte ich bei einem anderen, größeren Unternehmen lernen", erzählt der 19-Jährige.

Mit den Urkunden geht es nun weiter. Nächster Stopp: Gerichtsmedizin. Die alte Dame in unserem Kofferraum ist eines natürlichen Todes gestorben. Sie soll eingeäschert werden. Bei einer Feuerbestattung ist eine zusätzliche Untersuchung vorgeschrieben. Der Leichnam kann schließlich nicht – wie bei einer herkömmlichen Sargbestattung – exhumiert werden. Ich bin etwas nervös, denn ich habe noch nie einen toten Menschen gesehen.

Ärztin untersucht die Verstorbene

Als wir aus dem Leichenwagen steigen, nehme ich so selbstverständlich wie möglich Kittel und Handschuhe entgegen und frage mich, ob ich ausgiebiger hätte frühstücken sollen. Der Bestattermeister und sein Azubi laden den Sarg aus. Werner Kentrup schiebt ihn vorsichtig auf dem Rollwagen in den Untersuchungsraum. Den Sarg würde er nie grob anfassen: "Der Respekt vor den Verstorbenen ist bei uns am wichtigsten", sagt er. Auch wenn niemand hinsieht. Schließlich ist es immer noch ein Mensch. Es gilt, seine Würde zu bewahren. Deshalb spricht Kentrup nie von Toten oder Leichen, sondern immer von Verstorbenen.

Mittlerweile stehen wir in einem kleinen gekachelten Raum am Hygienespender. Werner Kentrup zeigt mir, wie man Handschuhe richtig an- und auszieht und die Hände desinfiziert. Fingerkuppen und Handgelenke dürfen dabei nicht vergessen werden. Dann hebt er mit Mika den Deckel vom Sarg. Und ich kippe nicht um.

Mir wird nicht mal schwindelig. Die Frau riecht weder unangenehm noch sieht sie unheimlich aus. Sie hat lediglich eine auffällig gelbe Hautfarbe. "Das liegt an einer Leberkrankheit", erklärt mir der Bestattermeister, während er und Mika die Verstorbene mit geübten Handgriffen entkleiden und dann diskret mit einem Tuch bedecken, bis die Gerichtsmedizinerin kommt.

Die Ärztin untersucht den Körper der Verstorbenen, sie schaut in Mund und Augen, bewegt Arme und Beine und entfernt Pflaster, um kleine Wunden zu begutachten. Ein paar Minuten später steht fest: Die Dame ist eines natürlichen Todes gestorben. Wir dürfen sie wieder anziehen und mitnehmen.

Zurück im Bestattungsunternehmen, schlagen Mika und ich einen Sarg aus, indem wir Stoff mit dem Akkutacker innen am Holz befestigen. Mika erledigt das routiniert, ich habe dagegen zwei linke Hände. Doch am Ende sieht es gar nicht schlecht aus. Der Sarg sei vom Deckel bis zum Griff komplett aus regionalem Holz gefertigt, der beigefarbene Stoff besonders leicht abbaubar, erklärt Kentrup. "Darauf legen die Kunden immer mehr Wert."

Keine Langeweile

Später steht noch eine Trauerfeier an. Mika und ich dekorieren dafür den Raum. Außerdem stellen wir für Angehörige ein Album mit Fotos einer Beisetzung zusammen und gestalten am Computer eine Dankeskarte. Dazu wählen wir aus verschiedenen Vorlagen ein Design aus, tüfteln die Aufteilung des Textfelds aus und suchen nach passenden Formulierungen. Gemeinsam mit Mikas Kollegin Johanna Graf fahren wir anschließend zu einer Beisetzung auf dem Südfriedhof. Im Auto sitze ich quasi auf der Urne – denn der stabilste Platz für das zerbrechliche Gefäß ist ein spezielles Fach im Beifahrersitz.

Am Grab bauen wir Ginko-Kerzenhalter auf und schwitzen bei 25 Grad in unserer schwarzen Kleidung. Wenig später treffen wir Editha Kentrup-Bentzien, die das Bestattungshaus gemeinsam mit ihrem Mann Werner Kentrup leitet. Sie ist professionelle Trauerrednerin – eine von vielen Zusatzqualifikationen, die Bestatter erwerben können. Es folgt eine schöne, schlichte Zeremonie, bevor Mika die Urne andächtig ins Grab herablässt.

War das ein typischer Tag im Leben einer Auszubildenden zur Bestatterin? Ja und nein. "Wir wissen nie genau, was morgen ansteht", sagt Werner Kentrup, als wir am Ende des Tages wieder in dem Ausstellungsraum mit den Urnen stehen. "Bestatter ist eigentlich nicht ein Beruf, sondern viele verschiedene: Wir sind unter anderem Eventmanager, Psychologen, Grafiker, sogar Floristen. Nur eins gibt es bei uns nicht: Langeweile."

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