Versandhandel bei Apotheken Ringen um Rabatte auf Arzneimittel

Bonn · Die Koalition im Bund streitet über Regeln oder ein mögliches Verbot für den Apothekenversandhandel. Sind die Tage für die Apotheke vor Ort gezählt? Pharmazeuten aus Bonn und Köln berichten.

 Bleibt die Apotheke vor Ort erhalten, fragen sich Kritiker der europäischen Gesetzgebung.

Bleibt die Apotheke vor Ort erhalten, fragen sich Kritiker der europäischen Gesetzgebung.

Foto: dpa

Wenn Marion Wüst einen Wunsch frei hätte, dann lautete er: „Dass der deutsche Apothekenversandhandel und die Präsenzapotheken mit gleich langen Schwertern kämpfen können.“ Vielleicht ist es ein gutes Omen, dass die Kölner Apothekerin Wüst just Geburtstag hat, während in Berlin die Koalitionäre CDU/CSU und SPD die Vertreter der Branche zu einer interfraktionellen Anhörung geladen haben.

Es geht an diesem Donnerstag in der Bundeshauptstadt darum, Lösungen zu sondieren für ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Oktober, der ausländischen Versandapotheken erlaubt hat, Kundenrabatte auf rezeptpflichtige Medikamente zu geben. Wenn sich nichts ändert, hätten alle inländischen Anbieter einen massiven Wettbewerbsnachtteil. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will daher den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten ganz verbieten. Die SPD zögert aber. Zwei SPD-Bundestagsabgeordnete schlagen vor, versuchsweise den Rabatt auf einen Euro zu begrenzen und nach zwei Jahren zu überprüfen, wie sich die Situation entwickelt hat.

„Ich halte Gröhes Linie nicht für zielführend und rechne damit, dass er damit wieder vor dem EuGH scheitern wird“, sagt Christian Buse, Vorsitzender des Bundesverbandes der Versandapotheken und Inhaber der Versandapotheke Mycare. „Die Situation jetzt ist jedenfalls nicht befriedigend“, so Buse, der am Donnerstag an der Anhörung teilnahm.

Die niedergelassenen Apotheken, vertreten durch die Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände (ABDA), sehen nun eine Möglichkeit, dass der Versandhandel wieder auf die rezeptfreien Arzneimittel beschränkt wird. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt warnt vor einer „Rabattschlacht“, in die Präsenzapotheken andernfalls auch durch inländische Versandkonkurrenz gestoßen würden: „Da gießt man Öl ins Feuer statt zu löschen. Wer diese Idee propagiert, will offensichtlich das bewährte System der Arzneimittelversorgung in Deutschland schleifen.“

Andreas Limbach, Inhaber der Roncalli-Apotheke in Bonn-Lessenich, sagt: „Die Rabattdiskussion ist völlig unsinnig.“ Das gelte auch für den SPD-Vorschlag, mit einem Abschlag von einem Euro zu experimentieren. „Was soll das bringen?“ Wenn die Politik den Verbraucher entlasten wolle, sollte sie den Mehrwertsteuersatz auf Medikamente absenken. Während in Deutschland die vollen 19 Prozent erhoben werden, nehmen andere EU-Länder den ermäßigten Satz oder sogar null Prozent.

Limbach befürchtet, dass wegen des Drucks vor allem durch die ausländischen Versandapotheken die Tage der Apotheke vor Ort gezählt seien. Unternehmen mit einer Million Kunden hätten eben eine ganz andere Kalkulationsgrundlage, für die seien Rabatte kein Problem. Wer die Präsenzapotheke kaputtmache, sei dann aber auch verantwortlich, wenn bei einer Pandemie die Medikamente nicht in der benötigten Menge vorrätig seien, warnt Limbach.

Unklar ist, ob das Apothekensterben schon begonnen hat. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl jedenfalls rückläufig, nachdem sie in den 90er Jahren auf über 21 500 gestiegen war. Heute gibt es gut 20 000 Apotheken. Zugenommen hat die Zahl der Filialapotheken (Stand 2015: 4281), da ein Apotheker bis zu vier Niederlassungen haben darf. Mit 4332 Apotheken hat NRW die meisten Verkaufsflächen. Laut ABDA ist die Apothekendichte in Deutschland im EU-Vergleich übrigens unterdurchschnittlich: Auf 100 000 Einwohner kommen 25 Apotheken, der EU-Schnitt liegt bei 31, in Griechenland sind es 87.

Apothekerin Wüst bleibt gelassen. Sie führt zwei Präsenzapotheken und verkauft gleichzeitig Medikamente über das Internet an eine bundesweite Kundschaft. Das Onlinegeschäft wächst um zwölf Prozent jährlich, vor Ort setzt sie jährlich zehn Prozent mehr um. „Jede Apothekenform hat ihre Daseinsberechtigung.“ Krebspatienten, die eine Chemotherapie erhalten, bräuchten beispielsweise eine Präsenzapotheke, so Wüst.

Dass der Onlinehandel ein Problem für ältere Patienten darstelle, sieht Wüst nicht. „Wir haben im Versandgeschäft immer mehr Kunden im Alter von 70 plus.“ Alternativ könnte man über das Telefon bestellen. Das sei auch der Weg, über den sie Fragen beantworte. „Die Behauptung, die Versandapotheke würde nicht beraten, ist schlicht falsch.“

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