Unternehmen im Profil Raphael Vollmar: Vater des Siegfried-Gins

Bonn · Siegfried ist eine junge Ginmarke aus Bonn. Kreiert hat ihn Raphael Vollmar, der von dem Erfolg selbst überrascht ist.

 Der Bonner Unternehmer Raphael Vollmar in seinem Büro, das auch eine Bar ist.

Der Bonner Unternehmer Raphael Vollmar in seinem Büro, das auch eine Bar ist.

Foto: Benjamin Westhoff

Wann beginnt sich der Erfolg für einen Unternehmer einzustellen? Bei einer Million Euro Jahresumsatz? Wenn man Ausstatter der Bayreuther Festspiele wird? Raphael Vollmar sagt, er muss sich manchmal kneifen, wie weit er es geschafft hat. Der 41-jährige Bonner – kurzer Vollbart, schwarzrandige Brille, schwarzes T-Shirt, weiße Turnschuhe – hat mit seinem Geschäftspartner Gerald Koenen einen Gin kreiert, der innerhalb kürzester Zeit für Liebhaber des Wacholderdestillats zu einem Begriff geworden ist. Exportiert wird bereits in zehn Länder weltweit.

„Siegfried Rheinland Dry Gin“ heißt die Marke. Der Name verrät auch etwas über Vollmars Regionalstolz. „In Bonn liegen die Ressourcen auf der Straße“, sagt Vollmar und macht eine raumgreifende Armbewegung. Die reizvolle Umgebung, das Wesen des Rheinländers („Frohnatur und gastfreundlich“) und seine berühmten Bürger (Beethoven) seien alles Gründe für Bonns enorme Strahlkraft, meint Vollmar. „Bonn ist die am stärksten unterbewertete Stadt überhaupt.“

Damit ist der Unternehmer auch gleich bei seinem Thema: Wie man die Stadt besser vermarkten könnte. „Wenn man sieht, was die Salzburger, die weniger gut als Bonn angebunden sind, aus ihrem Wolfgang (Mozart) gemacht haben!“, ruft er aus. Ein paar Ideen hätte er da schon.

Es gibt zu wenig Bars in Bonn

Es fängt mit den Bars an, von denen es nach seinem Geschmack viel zu wenige in Bonn gibt. Seit Kurzem betreibt Vollmar nun selbst ein Lokal, im Musikerviertel, das in erster Linie als Büro seiner Firma Rheinland Distillers dient. Aber einmal in der Woche, nämlich donnerstags, ist dort richtiger Barbetrieb. „Das ist ein Riesenspaß“, sagt Vollmar.

Die Idee mit dem Gin begann eigentlich als Hobby, denn im ersten Beruf ist der Gastronom Geschäftsführer des Traditionshauses „Vollmar und Söhne – feine Waren seit 1861“ am Kaiserplatz (die gleichnamige Parfümerie Vollmar betreibt sein Onkel). Noch während des Studiums „Internationales Management“ in Maastricht und Los Angeles setzte er wissenschaftliche Projekte im Geschäft der Eltern in die Praxis um. Vollmar führte eine Kundenkarte ein, mit der Käufer Bonuspunkte sammelten. „Die gibt es heute noch.“

Experimentieren im "Honigmond"

Später eröffnete er einen so genannten Concept Store in der Nähe des elterlichen Geschäfts, der hieß „Honigmond“. Dort experimentierte Vollmar eine Zeitlang mit neuen Warenangeboten, weil sich Kundschaft und Zeitgeschmack geändert hatten. „Die bürgerliche Mittelschicht hat heute für verschiedene Gelegenheiten nicht mehr wechselnde Essgeschirre.“ Meißner Porzellan, das für ihn Ausdruck „europäischer Kultur“ ist, kaufen nur noch wenige Liebhaber. Die Erfahrungen im "Honigmond" flossen dann in das Hauptgeschäft ein: „Unser Sortiment ist sehr komplex: Es reicht vom Modeschmuck-Ohrstecker über versilbertes Christofle-Besteck bis zur Lalique-Vase.“

Experimentierfreude war auch der Grund, dass er mit seinem Freund Gerald Koenen, einem Unternehmensberater, einen Onlineshop für Grillbesteck eröffnete, weitere Versandhandel-Plattformen folgten. „Irgendwann hatten wir sechs Onlineshops geschaltet und konnten dabei viel Erfahrung sammeln.“ Es begeisterte die beiden, dass sie praktisch aus dem Nichts ein Geschäft aufziehen konnten. „Eines Tages sagte Gerald: Lass uns doch einen eigenen Gin machen.“

Ohne finanzielle Hintergedanken

„Finanzielle Hintergedanken hatten wir nicht“, erzählt Vollmar, nur die gemeinsame Liebe zu handwerklich gefertigten Dingen. Dass diese Liebe dann im Gin ihre Erfüllung fand, hängt damit zusammen, dass er seit einigen Jahren ein Modegetränk ist, das auch die beiden Unternehmer schätzen. Mit 4000 Euro Startkapital aus der eigenen Tasche gingen sie mit viel Herzblut an die Sache. Im November 2014 waren die ersten 200 Halbliter-Flaschen „Siegfried Gin“ abgefüllt – und das Geld alle. Über den selbst eingerichteten Onlineshop wurden die ersten 120 Flaschen verkauft. Was von dieser Abfüllung noch übrig ist, gehe heute für 600 Euro die 0,5-Liter-Flasche weg, erzählt Vollmar. Der Erfolg ist für ihn „wie ein Elfmeter ohne Torwart“.

Inzwischen produzieren die Rheinland Distillers mit fünf Beschäftigten (zusätzlich sieben Leute in der Abfüllanlage und zwei Logistiker) 15.000 Flaschen im Monat. In einem Produktionsgang können 980 Flaschen abgefüllt werden, jede Charge hat eine eigene Nummer. Der Plan, sich nur aus den erwirtschafteten Mitteln zu finanzieren, ist bisher aufgegangen. Der Umsatz stieg im ersten Halbjahr auf knapp eine Million Euro. Bei Verkostungen hat Siegfried Gin schon etliche Goldmedaillen eingeheimst.

Verheiratet mit der Jugendliebe

Da Vollmar und Koenen beide einen Vollzeitjob haben, ist Zeit für sie ein rares Gut. Für Vollmar, den ältesten von drei Geschwistern, wäre das Zeitbudget ohne die tatkräftige Unterstützung des Vaters noch geringer. Der 72-Jährige erledigt noch heute die Buchhaltung bei „Vollmar und Söhne“. Privat ist Raphael Vollmar seit 1997 glücklich verheiratet mit seiner Jugendliebe, sie haben einen kleinen Sohn. „Die Familie hat bei uns einen ganz hohen Stellenwert“, sagt Vollmar, der gegenüber von Büro und Bar sein Wohnhaus hat. „Mein Bruder, der Teambetreuer beim 1. FC Köln ist, lebt in der Etage über uns.“ Die Schwester aber hat es nach Berlin gezogen.

Sein lokalpolitisches Engagement beschränkt sich auf einen Sitz im Vorstand des Bonner Stadtmuseums. Aber vielleicht ist ja auch der Siggi, wie sein mit Lindenblüten angereicherter "Gin" kurz genannt wird, Aushängeschild genug. „Es ist hier in Bonn was am Brodeln.“ Und diesen Satz bezieht Vollmar nicht auf sein Gebräu.

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