US-Brautschuhe und Whiskey aus Australien Online-Käufe aus dem Ausland können schnell teuer werden

Bonn · In der Warteschlange im Zollamt Oberkassel: Wer im Internet aus Nicht-EU-Ländern bestellt, zahlt oft drauf. Bei Importen aus Ländern wie China oder den USA wird Einfuhrumsatzsteuer und manchmal auch Zoll fällig.

 ARCHIV - ILLUSTRATION - Eine junge Frau surft am 19.03.2014 in Berlin auf der Internetseite des chinesischen Internet-Unternehmens Alibaba und betrachtet Kleider. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

ARCHIV - ILLUSTRATION - Eine junge Frau surft am 19.03.2014 in Berlin auf der Internetseite des chinesischen Internet-Unternehmens Alibaba und betrachtet Kleider. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

Foto: picture alliance / Jens Kalaene/

Für ihre Hochzeit hatte die Troisdorferin Janine Rose ganz spezielle Vorstellungen: Weiße Turnschuhe der Marke Chucks, mit Perlen und Glitzersteinchen bestickt sollten es sein, erhältlich nur in den USA. Diese und keine anderen. Im Internet sind die Hochzeitsschuhe mit ein paar Mausklicks bestellt und bezahlt.

Wenige Tage später sitzt die Braut in spe mit einem Behördenbrief in der Hand in einem tristen Flur im Zollamt Bonn. Es ist Montagmittag, die Warteschlange wächst. Knapp 25 Menschen starren auf die rote Lampe neben der moosgrünen Tür, beklebt mit den Zetteln „Einfuhr“ und „Paketabholung“. Eintritt in das Amtszimmer „007“ gibt es nur bei grünem Licht. Die Minuten vergehen.

Nach knapp einer Stunde hält Janine Rose ihre Hochzeitsschuhe in den Händen. Vorher musste sie 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer an der Kasse der Behörde nachzahlen. Auf der Internetseite des Onlinehändlers sei der Preis „inklusive Umsatzsteuer“ ausgewiesen gewesen, wundert sie sich. Aber: „Hauptsache die Schuhe sind endlich da.“

Nicht wenige, die im weltweiten Netz auf Schnäppchenjagd gehen, sind überrascht, wenn sie statt des erwarteten Pakets eine Nachricht der Zollbehörden erhalten. Wer außerhalb der EU Waren bestellt, muss in aller Regel dafür Einfuhrumsatzsteuer bezahlen. Nur bis zu einem Wert von 22 Euro inklusive Portokosten darf ohne zusätzliche Kosten aus dem Ausland geordert werden.

„Der Verbraucher in Deutschland ist dazu verpflichtet, sich bei einer Onlinebestellung über den Standort der Ware zu informieren“, sagt Jens Ahland, Sprecher des Hauptzollamts Köln. Dass das nicht immer leicht ist, räumt auch der Experte ein. Selbst Onlineriese Amazon verstecke die Herkunft von Waren, etwa aus China, gerne im Kleingedruckten. „Amazon suggeriert oft, dass die Waren aus Deutschland oder Europa kommen“, sagt der Zollsprecher. „Aber auf den ersten Eindruck sollte man sich nicht verlassen.“ Er rät zur Vorsicht: „Wird die Einfuhrumsatzsteuer und vielleicht auch noch der Weg zum Zollamt mit eingerechnet, entpuppt sich manches vermeintliche Schnäppchen als ganz schön teuer.“

Für den Swisttaler Marc Schlief ist die Zahlung beim Zoll längst Routine. Er saß „bestimmt schon 50 Mal“ im Flur des Oberkasseler Zollamtes um seine Pakete abzuholen, die zusätzlichen Steuern hat er bereits einkalkuliert. Schlief sammelt Whiskey-Flaschen der Marke Jim Beam und lässt sich die Spirituosen aus aller Welt schicken. Die aktuelle Lieferung stammt aus Australien. Im Zollamt kennt man sich. „Was ist denn heute Schönes im Paket?“, fragt der Beamte und Schlief präsentiert sein neues Sammlerstück.

Nicht alle Kundenkontakte verlaufen so harmonisch. „Eigentlich gibt es immer mindestens einen, der wutentbrannt aus der Behörde stürmt“, hat Schlief beobachtet. Zollsprecher Ahland bestätigt diesen Eindruck: „Die Kunden sind von den Zollbestimmungen manchmal völlig überrascht und lassen dann ihren Frust an den Beamten aus.“

Wenn alles nach Plan läuft, brauchen sich Onlinekunden nicht persönlich beim Zoll in die Warteschlange einzureihen. „Wenn die Pakete aus dem Ausland von außen klar mit Inhalt und Warenwert beschriftet sind, kann der Paketbote die Einfuhrumsatzsteuer einziehen“, sagt Ahland. Die Post gebe das Geld dann an den Zoll weiter. So werde auch „mit der überwiegenden Mehrzahl“ der Pakete aus dem Ausland verfahren. Dass das eine oder andere Paket vom anderen Ende der Welt unbeobachtet und unverzollt seinen Adressaten erreicht, will er auch nicht ausschließen. Misstrauisch werden die Zollbeamten, wenn Sendungen von Gewerbetreibenden aus dem Ausland an deutsche Privatleute als Geschenk ausgewiesen werden. „Wer soll denn das glauben?“, fragt der Zollsprecher. Er vermutet, dass die Absender die höheren Zoll-Freigrenzen für Geschenke nutzen wollen, ohne, dass es sich wirklich um Geschenke handelt.

Was wirklich in den Paketen ist, wird im Zollamt erst dann kontrolliert, wenn der Abholer das Paket unter den Augen des Beamten öffnet. „Die meisten Sendungen kommen aus China, den USA und Russland“, sagt Ahland. Und es werden immer mehr. Das Zollamt in Oberkassel hat im Juni vergangenen Jahres 1500 Pakete abgefertigt, im Juni des Vorjahres waren es erst 980. „Hochsaison ist vor Weihnachten und zum Jahresanfang“, sagt Ahland. Dann landeten bis zu 4000 Pakete im Monat in der Behörde, die für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis zuständig ist. Dann bräuchten auch die drei Beamten, die für die sogenannte Nachverzollung in Bonn zuständig sind, Unterstützung.

„Die Kunden bestellen mittlerweile alles mögliche im Ausland“, sagt der Zollsprecher. Aus Russland und China würden zum Beispiel gerne Nahrungsergänzungsmittel wie Vitaminpräparate oder Proteinpulver geordert. „Da wundert man sich doch manchmal, wie unvorsichtig die Leute sind“, sagt Ahland. Gerade bei technischen Geräten aus Nicht-EU-Ländern seien die Sicherheitsvorkehrungen oft mangelhaft. „Bei einem Handy aus China für 20 Euro waren die Aufladekabel so schlecht isoliert, dass der Nutzer einen Stromschlag bekommen konnte“, erinnert er sich an einen Fall aus der Zoll-Praxis.

Auch Verbraucherschützer sehen die weltweite Schnäppchenjagd eher skeptisch. Anfang dieses Jahres hat die Verbraucherzentrale Brandenburg in Testkäufen Kleidung aus Asien bestellt. Ihr Fazit: Beinahe jedes der bestellten Kleidungsstücke war deutlich kleiner oder enger als in der jeweiligen Beschreibung auf den Webseiten angegeben. Zehn der 13 getesteten Kleidungsstücke wiesen zudem teils erhebliche Mängel in der Verarbeitung oder im Schnitt auf.

Den Zoll interessieren solche Ärgernisse wenig. So lange die Ware nicht illegal ist, wie Drogen oder verschreibungspflichtige Arzneimittel, zählt für die Beamten allein der Warenwert. Nachmittags um 15 Uhr macht die Bonner Behörde Feierabend. Wer es bis dahin nicht zumindest bis in den Flur geschafft hat, muss weiter auf seinen Internetkauf warten.

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