Revolution mit dem superschnellen Netz Neuer Mobilfunk-Standard 5G startet in Berlin

Berlin · Die Telekom arbeitet wie andere Mobilfunkanbieter mit Hochdruck am neuen 5G-Standard. Übertragung in Echtzeit ist möglich.

 Werbung für 5G in Barcelona.

Werbung für 5G in Barcelona.

Foto: dpa

Das vielleicht modernste „Smartphone“ der Welt misst je etwa einen Meter Länge und Höhe. Oben auf dem Blechkasten ragen vier an die Signalleuchten von Krankenwagen erinnernde Antennen heraus. Auf vier Rädern bewegen die Experten der Telekom das Gerät durch Straßen im Berliner Bezirk Schöneberg und testen damit die Leistungsfähigkeit des ersten installierten Mobilfunknetzes mit dem superschnellen 5G-Standard.

„Wir sind die ersten in Europa, die reales 5G demonstrieren können“, sagt Claudia Nemat, die im Telekomvorstand für Innovationen zuständig ist. Der Konzern hat dazu vier Funkzellen in der Hauptstadt eingerichtet. Das 5G-Netz dürften den Mobilfunk revolutionieren, da damit bislang ungeahnte Datenmenge durch die Luft geschickt werden können. Allein die Antenne auf dem Dach über der Vorständin zählt 64 Antennen zum Senden und weitere 64 zum Empfang der Daten. Bis zu zehn Gigabit pro Sekunde wird der neue Standard den Kunden in einigen Jahren bieten.

Die Anwendungen werden wohl zeitgleich mit der Technik entwickelt. Noch fehlen zum Beispiel echte Smartphones für den neuen Standard. Daran arbeitet die Telekom zusammen mit dem chinesischen Hersteller Huawei. Die Ingenieure stehen vor einer herausfordernden Aufgabe. Damit die Handys die superschnellen Signale auch in Echtzeit verarbeiten können, müssen im Gehäuse zum Beispiel acht Miniantennen untergebracht werden. Ein herkömmliches Gerät kommt mit zweien aus.

Wofür die Technologie tauglich sein könnte, demonstriert die Telekom anhand einiger Beispiele anschaulich. Insbesondere die virtuelle Realität wird damit mobil alltagstauglich. Trainee Milan trägt eine Datenbrille und hockt vor einem Computerserver. In die Brille hinein wird ihm ein Wartungsprogramm für den Apparat übertragen. Mit dem Finger im Raum vor seinem Kopf tippt er sich durch das Menü, bis ihm die zu erledigenden Aufgaben angezeigt werden. Noch sind die Datenbrillen schwer und erwärmen sich mit der Zeit. Doch das könnte sich laut Nemat bald ändern. „Das kann eine Brille sein wie meine hier“, erläutert sie und zeigt auf ihre ganz normale Sehhilfe.

Möglich machen diese Qualität der sogenannten Virtuellen Reality (VR) extrem hohe Bandbreiten und superkurze Reaktionszeiten des Netzes. Heute noch vorkommende Verzögerungen bei der Bildübertragung gehören mit 5G der Vergangenheit an. Die geringe Latenzzeit ist auch die Voraussetzung für viele der möglichen Anwendungen wie die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander oder die von Haushaltsgeräten. „Selbst Mülleimer werden zu Netzteilnehmern“, glauben die Fachleute der Telekom.

Vor allem der Wirtschaft soll der neue Mobilfunkstandard die Tür zur Industrie 4.0 öffnen. Beim Autonomen Fahren wird zum Beispiel die schnelle Reaktionszeit benötigt, wenn ein vorausfahrendes Auto plötzlich bremst. Anwendungen testet die Telekom im Hamburger Hafen. Rund 100 000 Sensoren werden dort installiert, das Netz damit auf die Bedürfnisse des Hafens zugeschnitten.

Die Mobilfunkfirmen arbeiten unter Hochdruck am 5G-Standard. Denn 2020 soll die Markteinführung stattfinden. Es wird wohl einen allmählichen Übergang vom aktuellen 4G-Standard zum superschnellen Netz geben. Für die meisten Menschen werden die herkömmlichen Datenströme wohl auch weiterhin reichen. Die ersten Anwendungen erwartet die Telekom in der Zusammenarbeit mit Geschäftskunden wie den Häfen. Dass die Marktdurchdringung eine Weile dauern dürfte, lässt sich auch aus den Netzausbauplänen schließen. Derzeit sorgen bundesweit rund 90 000 Antennen für die Mobilfunkversorgung. Für ein flächendeckendes 5G-Netz ist ein Vielfaches an Sendeanlagen nötig.

Den Geschäftshoffnungen der Telekom könnte die Industrie allerdings einen Strich durch die Rechnung machen. Der Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) fordert von der Bundesnetzagentur Frequenzen für den Aufbau eigener 5G-Netze durch Unternehmen in ihren Fabriken. Beim industriellen Einsatz wolle die Wirtschaft nicht von einem der drei Netzbetreiber abhängig sein. Telekom-Vorständin Nemat bleibt angesichts der Ankündigung gelassen. Sie verwies auf die hohen Kosten, die bei einer Ausgliederung des Netzes an einen der Mobilfunkbetreiber nicht anfallen würden.

Erstaunlich einig ist sich die Branche, dass bis zum Sommer 2019 gemeinschaftliche technische Standards entwickelt und vereinbart werden. Auch Vodafone und Telefonica setzen auf 5G. Die politische Unterstützung für die Einführung der Technologie durch die Bundesregierung hat die Branche auch. Eine wichtige Weichenstellung steht indes noch aus. 2018 werden die notwendigen Frequenzen durch die Bundesnetzagenturen versteigert. Zum Ausbau gehört auch die Anbindung der Mobilfunkstationen an ein schnelles Glasfasernetz. Fünf Milliarden Euro steckt allein die Telekom nach eigenen Angaben in die Kabelversorgung allein in Deutschland.

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