Interview mit Pfarrer Matthias Jung vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt

BONN · Mit Pfarrer Matthias Jung vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

 Als Seelsorger herausgefordert: Pfarrer Matthias Jung.

Als Seelsorger herausgefordert: Pfarrer Matthias Jung.

Foto: Privat

Was sagen Sie als Seelsorger, wenn bei Ihnen der Handwerkermeister anklopft, dessen Familie demnächst von Hartz IV leben muss?
Matthias Jung: Ich höre erst einmal zu. Wir sind seit zwei Jahren dabei, uns mit dem Scheitern bei Handwerkern, Geschäftsführern und im mittleren Management zu beschäftigen. Die Anregung kam von einem Rechtsanwalt, der als Insolvenzberater tätig ist und uns sagte: Da herrscht vielfach eine riesige seelische Not, und diese Menschen sind allein damit. Niemand hört ihnen zu. Das ist doch eine Herausforderung für die Seelsorge.

Scheitern sieht der Einzelne aber als absolute Katastrophe und Gesichtsverlust an?
Jung: Scheitern wird bei uns häufig als persönliches Versagen empfunden, die Schuld zuallererst bei sich selbst gesucht. Ich habe mit Menschen gesprochen, die zum Beispiel Einblick in die Unternehmenskulturen in den USA haben, und die sagten mir: Dort wird Scheitern bei weitem nicht so persönlich genommen, man fällt und steht wieder auf.

Sie als Pfarrer gefragt: Ist die biblische Botschaft von der umfassenden "Entschuldung" des Menschen in der persönlichen Katastrophe denn überhaupt vermittelbar?
Jung: Die biblische Botschaft stellt das eigene Erleben mit Schuld und Scheitern in einen größeren Horizont. Das kann helfen, sich von der Fixierung auf das eigene Versagen zu lösen. Jesus ist Menschen zuallererst auf Augenhöhe begegnet, auch denen mit Schuld und Schande. Ob diese Botschaft ankommt, das habe ich als Seelsorger nicht in der Hand. Ich kann davon erzählen, einfühlsam und persönlich - und hoffen, dass ich so mein Gegenüber erreiche und Vertrauen zu Gott daraus erwächst.

Sehen Sie einen Unterschied zwischen Männern und Frauen im Umgang mit Scheitern?
Jung: Ich kann hier nur vermuten, da Scheitern immer noch versteckt wird und ein Tabuthema darstellt, über das nicht so leicht geredet wird. Wahrscheinlich fällt es Männern aber immer noch schwerer als Frauen, sich Scheitern einzugestehen, und eventuell neigen sie daher auch eher zu Kurzschlussreaktionen, wie es jüngst die verschiedenen Suizide Schweizer Manager zeigen.

Zur Person

Matthias Jung, 52, Erziehungswissenschaftler, promovierter evangelischer Theologe und Pfarrer im Kirchenkreis Dinslaken, aktiv im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA). Jung ist Mitorganisator der Bonner Tagung.

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