Pflege in Deutschland Lieber zu Hause als im Pflegeheim

Bonn · Das Unternehmen Home Instead aus Bad Godesberg ist ein schnell wachsendes Franchiseunternehmen. Die Branche hat kein Problem, neue Kunden zu finden.

 Markus Nowak, Geschäftsführer von Home Instead in Godesberg, mit Kundin Ursula Grammel und Betreuerin Sevgül Erdal.

Markus Nowak, Geschäftsführer von Home Instead in Godesberg, mit Kundin Ursula Grammel und Betreuerin Sevgül Erdal.

Foto: Ulla Thiede

„Es ist so wichtig, selbstbestimmend zu sein“, sagt Ursula Grammel. Mit ihren 92 Jahren möchte sie so lange wie möglich in ihrer eigenen Wohnung bleiben, wo die Kuckucksuhr aus der Schwarzwälder Heimat ihres verstorbenen Mannes hängt. Sevgül Erdal kommt zwei Mal wöchentlich zu Grammel, um sie etwa zum Einkauf, zu den Ärzten und zum Friseur zu begleiten.

Erdal besucht die Seniorin im Auftrag von Home Instead, einer Franchisekette, unter deren Namen Markus Nowak seit 2011 ein Geschäft in Bad Godesberg führt. Das Konzept für den Betreuungsdienst stammt aus den USA und kam 2008 nach Deutschland. Home Instead ergänzt die klassischen Pflegeleistungen ambulanter Dienste. „Wir machen keine medizinische Behandlungspflege“, sagt Nowak.

Der wohl wichtigste Unterschied: Während Caritas, Diakonie und Co. mit der Pflegeversicherung nach der Zahl der Verrichtungen beim Pflegebedürftigen abrechnen, lässt sich Home Instead die geleisteten Stunden bezahlen. Nowak berechnet privaten Kunden 32,95 Euro pro Stunde, für die Pflegekassen sind die Stundenpreise gestaffelt zwischen 27,60 und 32,95 Euro.

Für Sevgül Erdal, die als Minijobberin arbeitet, ist die Tätigkeit bei Home Instead gerade deshalb so angenehm: „Ich kann mir mehr Zeit für meine Kunden nehmen.“ Erdal hatte früher in einem ambulanten Pflegedienst Erfahrung gesammelt: „Der Zeitdruck dort war nicht mehr normal.“

Nowak hat nach eigenen Angaben kein Problem, neue Kunden zu finden. Derzeit sind es rund 500 Senioren, die seine 190 Betreuungskräfte versorgen. In seinen beiden Büros in Godesberg und Sankt Augustin sind zusammen elf Mitarbeiter und ein Auszubildender beschäftigt. Fünf der elf Büromitarbeiter sind examinierte Pflegefachkräfte.

„Es ist ein sehr kleinteiliges Geschäft“, sagt Nowak. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Home Instead zeitlich nach den Wünschen der Kunden richtet, was die Pflegedienste sonst nicht machen. „Wir kommen, wann es der Kunde benötigt“, betont Nowak. So springt sein Betreuungsdienst auch ein, wenn eine Mutter erkrankt ist und Unterstützung im Haushalt mit den Kindern benötigt oder ein Arbeitnehmer einen Unfall hatte und zu Hause Hilfe braucht.

Nur fünf Prozent seiner Kunden sind Selbstzahler. Zu 95 Prozent aber rufen ihn Pflegebedürftige mit einem anerkannten Pflegegrad, die die Kosten für die Betreuung mit den Pflegekassen abrechnen können. „Wir stehen mit den Pflegediensten in engem Kontakt“, erklärt Nowak, ein früherer Bundeswehroffizier, der in seinem vorherigen Job als Regionalleiter im Bekleidungsmanagement für die Truppe beschäftigt war.

Der Grund für den Kundenzuwachs liegt auch im Wegfall des Zivildienstes, der durch den Bundesfreiwilligendienst nur teilweise aufgefangen wird. So können die Pflegedienste, denen es ohnehin an Personal mangelt, Betreuungsaufgaben kaum mehr erfüllen.

Aber auch Nowak betrachtet es als „größte Herausforderung“, neue Betreuungskräfte zu finden. „Unser Anspruch ist schon, dass wir keinen Termin ausfallen lassen.“ Damit man flexibel reagieren kann, sind nur 60 Betreuungskräfte fest eingestellt, die anderen arbeiten auf Minijobbasis, so wie Erdal. Die unbefristet Beschäftigten haben Verträge, die sie verpflichten, zwölf bis 30 Stunden pro Woche zu arbeiten. „Unter unseren Betreuerinnen sind viele Rentnerinnen und Mütter im Alter zwischen 30 und 40 Jahren“, berichtet Nowak. Den Frauen zahlt er den Pflegemindestlohn von 10,55 Euro pro Stunde.

Sein Betrieb erzielt inzwischen einen siebenstelligen Jahresumsatz. Noch in diesem Jahr will Nowak zwei weitere Büros in Troisdorf und Duisdorf/Lengsdorf eröffnen. Bundesweit zählt Home Instead bald 100 Partner. Es sei derzeit das am schnellsten wachsende Franchisesystem. „In Nordrhein-Westfalen können wir unseren Dienst fast flächendeckend anbieten“, sagt Nowak.

Ob der Name eine Hürde für die Verbreitung sein könne, verneint Nowak. Übersetzt heißt „ Home Instead“ „Stattdessen zu Hause“, was man ergänzen müsste mit: und eben nicht im Pflegeheim. „Wer das komisch findet, den frage ich dann zurück: 'Was heißt denn Caritas oder Diakonie auf Deutsch?'“

Grammel jedenfalls möchte die Gesellschaft von Erdal nicht mehr missen. Ihr rechtes Knie ist steif, ohne Erdals Hilfe könnte sie nicht mehr das Haus verlassen. So fährt sie Erdal mit dem eigenen Auto oder sie nehmen den Bus zusammen. „Wir verstehen uns prima, wir sind quasi befreundet“, erzählt Grammel. Lachend fügt sie hinzu: „Eigentlich kann ich das 'quasi' weglassen.“

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