„Auf langfristige Risiken vorbereiten“ Interview mit Bonner Professorin Isabel Schnabel

Bonn/Berlin · Gestern überreichte die Bonner Professorin und Wirtschaftsweise Isabel Schnabel mit dem Sachverständigenrat dessen Jahresgutachten an die Bundesregierung.

 Isabel Schnabel, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, spricht am 02.11.2016 in der Bundespressekonferenz während der Vorstellung des Jahresgutachtens des Sachverständigenrats in Berlin. In dem Jahresgutachten werden neben der wirtschaftlichen Entwicklung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene auch wirtschafts- und gesellschaftspolitische Themen betrachtet. Foto: Sebastian Gollnow/dpa | Verwendung weltweit

Isabel Schnabel, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, spricht am 02.11.2016 in der Bundespressekonferenz während der Vorstellung des Jahresgutachtens des Sachverständigenrats in Berlin. In dem Jahresgutachten werden neben der wirtschaftlichen Entwicklung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene auch wirtschafts- und gesellschaftspolitische Themen betrachtet. Foto: Sebastian Gollnow/dpa | Verwendung weltweit

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Laut Schätzungen kann eine neue Bundesregierung mit 33 Milliarden Euro zusätzlich in den kommenden Jahren rechnen. Was soll damit geschehen?

Isabel Schnabel: Der Schuldenabbau hat weiterhin Priorität. Deutschland erfüllt die Maastricht-Kriterien noch nicht. Der Staat muss sich außerdem mit einer soliden Finanzpolitik auf langfristige Risiken wie den demografischen Wandel vorbereiten. Wenn die Babyboomer in Rente gehen, wird das auch Folgen für den Haushalt haben.

Trotzdem empfiehlt der Sachverständigenrat die Abschaffung des Soli und die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

Schnabel: Aufgrund der guten konjunkturellen Entwicklung sind die Rücklagen in der Arbeitslosenversicherung deutlich gestiegen. Der Solidaritätszuschlag soll allmählich in den Einkommensteuertarif integriert werden. Es sollten keinesfalls sämtliche Überschüsse an die Bürger zurückverteilt werden, zumal ein großer Teil davon konjunkturell bedingt ist. Außerdem dürfen die Maßnahmen nicht zu einer Überhitzung führen, wie sie in Deutschland droht.

Gleichzeitig fordern die Wirtschaftsweisen mehr staatliche Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur. Wie passt das zum Schuldenabbau?

Schnabel: Das ist auch im Rahmen des derzeitigen Budgets möglich, man müsste nur andere Schwerpunkte setzen.

Wo würden Sie kürzen?

Schnabel: Das muss die künftige Regierung selbst entscheiden. Es gibt alle möglichen Subventionstatbestände, die man abschaffen könnte. Aber es geht nicht allein ums Geld. Viele staatliche Investitionen sind trotz bereitgestellter Mittel schlicht ausgeblieben, weil die Planungskapazitäten fehlten.

Auch die Unternehmen in Deutschland halten sich bei Investitionen zurück. Macht Ihnen das Sorgen?

Schnabel: Viele deutsche Unternehmen investieren im Ausland, aber nicht im Inland. Da muss man sich fragen, ob es Probleme mit der Standortattraktivität gibt, beispielsweise aufgrund der Bürokratie oder der hohen Energiepreise. Die Politik sollte die Rahmenbedingungen für private Investitionen verbessern.

Die Wirtschaftsweisen warnen vor eine Überhitzung der Wirtschaft. Müssten dann nicht auch die Löhne und Gehälter stärker steigen?

Schnabel: Wir haben bereits kräftiges Lohnwachstum. Der Verteilungsspielraum gemessen an der Produktivität wird mehr als ausgeschöpft. Für die Zukunft erwarten wir einen verschärften Fachkräfteengpass. Daher ist es wichtig, vorhandene Kapazitäten besser auszuschöpfen. Ich denke da an die Frauen, die häufig in Teilzeit arbeiten. Außerdem brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, das Fachkräften von außerhalb der EU den Zuzug erleichtert.

Sie warnen vor weiter bestehenden Problemen bei der Finanzmarktaufsicht. Warum?

Schnabel: Bei der Bankenaufsicht gibt es in der EU noch viel zu tun. In Italien mussten erneut die Steuerzahler für das Scheitern von Kreditinstituten aufkommen. Die neuen Abwicklungsregeln für Banken beinhalten noch immer zu viele Ausnahmetatbestände, die benutzt werden, um Banken mit staatlichen Mitteln zu retten.

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