Energie im Wandel In der Zelle liegt die Zukunft

Bonn · Wenn Deutschland das Land der Autobauer bleiben will, muss es auch Batteriezellen fertigen, sagen Experten. Für die wichtige Batterieforschung stellt das Bundesforschungsministerium 35 Millionen Euro jährlich bereit.

 Nur wenn auf deutschen Straßen genügend E-Autos fahren, lohnt sich eine eigene Batterieproduktion.

Nur wenn auf deutschen Straßen genügend E-Autos fahren, lohnt sich eine eigene Batterieproduktion.

Foto: dpa

Elon Musk macht es vor: Im US-Bundesstaat Nevada baut der Tesla-Chef für fünf Milliarden Dollar die weltweit größte Batteriefabrik. Dort sollen die zentralen Komponenten jeden Elektrofahrzeugs gefertigt werden: die Traktionsbatterien. Das alarmiert inzwischen die Deutschen. Experten mahnen: Wenn das Land der Autobauer auf Dauer nicht ins Hintertreffen geraten will, müssen auch hierzulande Batterien für die Elektromobilität gebaut werden, und zwar von der kleinsten Einheit, der Zelle, an.

Derzeit passiert gerade das Gegenteil: Daimlers Tochter Accumotive hat die Zellproduktion Ende vergangenen Jahres wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt. Im sächsischen Kamenz wird stattdessen eine halbe Milliarde Euro in ein neues Werk investiert, wo aus dem Ausland zugelieferte Zellen zusammengesetzt werden. „Die eigentliche Intelligenz der Batterie steckt nicht in der Zelle, sondern im Gesamtsystem bestehend aus Zellen, Steuerungselektronik, Software, Kühlung und dem auf das Fahrzeug maßgeschneiderten Gehäuse“, erklärt man dazu bei Accumotive selbstbewusst.

Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit steckt in der Zelltechnologie die Arbeit von Jahrzehnten. „Bei der aktuellen Generation von Lithium-Ionen-Zellen ist die deutsche Industrie abgehängt, hier haben asiatische Unternehmen einen deutlichen Entwicklungsvorsprung“, sagt Sven Kirrmann, Pressereferent der Agentur für Erneuerbare Energien in Berlin. Hergestellt werden die Zellen vor allem in Japan, Südkorea, China und den USA. Von den 27,2 Gigawattstunden, die 2014 für den Einsatz in Kraftfahrzeugen produziert wurden, entfielen lediglich 1,5 Gigawattstunden auf Europa.

Chancen auch für Deutschland

Doch die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) sieht Chancen, dass auch ein Zellwerk in Deutschland wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Nach dem NPE-Szenario wird der Bedarf an Akkus für Kraftfahrzeuge schon bald rasant steigen: Bis zum Jahr 2025 könnten in den wichtigsten Absatzregionen für Elektroautos zwischen 100 und 300 Gigawattstunden zusätzlich zu den aktuellen und bereits geplanten Kapazitäten hinzukommen. Die NPE-Studie empfiehlt, 2021 die Zellproduktion in Deutschland mit einer Kapazität von 13,9 Gigawattstunden aufzunehmen. Damit könnten Traktionsbatterien für 320 000 Fahrzeuge jährlich hergestellt werden. Investitionskosten: 1,3 Milliarden Euro.

Tatsache ist, dass die Batterie das Herz des E-Autos ist, so wie bisher der Verbrennungsmotor. An der Wertschöpfung eines Kraftfahrzeugs hat sie einen Anteil von etwa 40 Prozent. Doch noch sind die Batterien teuer, einmal aufgeladen reicht der Strom für eine Strecke von maximal 200 Kilometern. So tüfteln die Forscher an neuen Technologien, um die Energiedichte zu erhöhen. Sie forschen mit Rohstoffen, die leichter zur Verfügung stehen, die Umwelt weniger belasten und eine noch größere Sicherheit und lange Lebensdauer garantieren.

Batterieforschung

Inzwischen ist die Politik aufgewacht. Mit 35 Millionen Euro jährlich finanziert allein das Bundesforschungsministerium die Batterieentwicklung. „Die deutsche Batterieforschung hat in den letzten drei bis fünf Jahren stark aufgeholt“, erklärt der Bonner Chemieprofessor Helmut Baltruschat. „Das zeigt sich etwa an der Zahl der Patente und Veröffentlichungen. Wir sind jetzt auch in diesem Gebiet international anerkannt.“

Baltruschat forscht unter anderem an Magnesium-Luft-Batterien. Bei den Lithium-Luft- und Lithium-Schwefel-Batterien habe die Wissenschaft „einigermaßen die grundlegenden Reaktionen verstanden“, erklärt er. „Für Magnesium-Luft sind wir auf dem Weg dahin.“ Das heißt: Funktionsfähige Batterien damit liegen noch in weiter Ferne. Würde jetzt ein Batteriewerk gebaut, würde es die Lithium-Ionen-Technologie anwenden, die selbst noch längst nicht ausgereift ist.

Wie komplex ein Batteriesystem ist, zeigt sich daran, dass Fortschritte vor allem in internationalen Forschungsverbünden und Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft erzielt werden. Jeder Partner bringt seine Expertise ein - Chemiker, Physiker, Oberflächenforscher und Ingenieure.

Allein bei der Fraunhofer-Gesellschaft haben sich fast zwei Dutzend Institute zur Batterieforschungs-Allianz verbunden. Und der weltgrößte Chemiekonzern BASF hat sich zum Ziel gesetzt, der bedeutendste Lieferant von Batteriezellkomponenten zu werden. Durch Zukäufe weltweit und eigene Forschung habe man ein „einzigartiges Technologieportefolio“ im Batteriebereich aufgebaut, teilt das Unternehmen mit. All diese Anstrengungen sind zumindest keine schlechte Basis für ein deutsches Batteriezellwerk.

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