Vorwürfe gegen Fluggesellschaft Hat Eurowings ein Problem mit Verspätungen?

Bonn · Rekordverspätungen sind bei Eurowings weiterhin ein großes Problem. Auch wenn die Verzögerungen insgesamt laut Statistik im Durchschnitt liegen.

 Seit Beginn des Jahres hat Eurowings mehr als 1000 Flüge auf der Langstrecke absolviert.

Seit Beginn des Jahres hat Eurowings mehr als 1000 Flüge auf der Langstrecke absolviert.

Foto: picture alliance / dpa

Spät, später, Eurowings: Der Eindruck, der in der Öffentlichkeit nach einem halben Jahr von der Billigtochter der Lufthansa bleibt, ist kein positiver. Der Start der Billigairline war vor allem von Rekordverspätungen auf der Langstrecke geprägt. Passagiere landeten 68 Stunden nach der geplanten Ankunftszeit in Kuba oder mit 43 Stunden Verspätung nach ihrem Thailandurlaub wieder in Deutschland. Umso überraschender zeigen verschiedene Statistiken: So ein später Vogel ist die Fluggesellschaft überhaupt nicht. Vielmehr liegt sie mit ihren Zahlen im weltweiten Mittel.

Wie das Fluggastrechteportal Flightright mit Zahlen belegt, war Eurowings in den letzten sechs Monaten im Schnitt nicht häufiger zu spät als andere Fluggesellschaften. Air Berlin, Lufthansa, Air France und easyjet verlegten ihre Starts sogar häufiger nach hinten. Auch die Zahl der Annullierungen bewegt sich im Mittelfeld. Allerdings rechnet Flightright alle Verspätungen ab der ersten Minute mit. Das heißt: Andere Airlines können öfter zu spät kommen. Handelt es sich jedoch um wenige Minuten, nimmt der Passagier das weniger wahr als viele Stunden.

Nur 22 Prozent aller Eurowings-Flüge zu spät

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der offizielle Airline-Führer OAG (Official Airline Guide) aus Großbritannien. Der weltweite Dienst für Reisedaten zählt alle Verspätungen ab 15 Minuten und kommt zu dem Schluss: Etwa 22 Prozent aller Eurowings-Flüge waren zwischen Januar und Ende Juni zu spät; 0,8 Prozent wurden annulliert. Das seien mehr oder weniger Durchschnittswerte, heißt es auf Anfrage des General-Anzeigers. Generell starteten weltweit rund 80 Prozent der Flüge pünktlich, weniger als ein Prozent werde gestrichen.

Allerdings zeigt die Statistik des Fluggastrechteportals Fairplane auch, dass die Zahl der Verspätungen gerade in der Urlaubszeit – sprich Juni und Juli – wieder stärker zugenommen hat. Und auch mit den Rekordverspätungen bei Eurowings ist es noch nicht vorbei: David Frank aus Bonn kehrte von seiner Reise aus Los Angeles im Mai mehr als 24 Stunden zu spät zurück. Der Grund: Nach einem Umstieg in London sollte ihn Eurowings nach Köln/Bonn fliegen. Das Flugzeug startete, musste jedoch nach kurzer Zeit wegen einer „Luftnotlage“ umdrehen.

Eurowings bestätigt: Die Cockpitscheibe hatte einen Riss. Frank musste einen zusätzlichen Urlaubstag nehmen. Sein Gepäck kam Tage später und demoliert zu Hause an. Von der Fluggesellschaft fühlt er sich alleine gelassen. Auf ein Beschwerdeschreiben hat er bis heute keine Antwort erhalten. Frank steht eine Entschädigung zu, die ebenfalls noch aussteht. Eurowings versichert auf Anfrage des General-Anzeigers: Die Bearbeitung der Schreiben finde statt. In der Regel bekämen die Passagiere innerhalb von vier Wochen eine Antwort. Im Fall von Frank allerdings nicht. Und Frank ist nicht der einzige, der sich ärgert. Auch die Facebook-Seite der Airline macht die Kritik der Passagiere deutlich: Für Verspätungen habe man Verständnis. Aber Kommunikation und Service ließen zu wünschen übrig.

Bonner Passagier berichtet von "keinerlei Betreuung"

Mit zwölf Stunden Verspätung landete Heinrich Sonntag aus Bonn am 21. Juli am falschen Flughafen. Nachdem sein Rückflug von Manchester nach Köln/Bonn morgens annulliert wurde, erhielt er ein Ticket am Abend nach Düsseldorf. Er schreibt von „keinerlei Betreuung“ und fehlenden Informationen, was Gründe und Lösungen der Situation anging. Besonders ärgerlich in seinem Fall: Eurowings schaffte es nicht, den Passagieren einen Rücktransport von Düsseldorf nach Köln/Bonn anzubieten. Darum musste sich Sonntag selbst kümmern. Der Rechtsanwalt hat mittlerweile eine Entschädigung von 250 Euro erhalten. Passagiere haben einen Anspruch auf Entschädigung sobald die Verspätung mehr als drei Stunden beträgt. Abhängig von der Flugstrecke können das zwischen 250 und 600 Euro sein.

Der Sprecher des Verbraucherschutzportals Fairplane und Jurist Ronald Schmid bezeichnet die Vorgänge bei der Lufthansa-Tochter als peinlich: „Bei vernünftiger Personalplanung dürfte es Probleme in dem Maße nicht geben. Derzeit scheint Eurowings das Problem auf der Langstrecke einigermaßen im Griff zu haben“, erklärt er. Dennoch bearbeite Fairplane immer noch mehr Beschwerden von Eurowings-Kunden als von anderen Airlines. „Nicht exorbitant, aber deutlich“, so Schmid – ein Beleg dafür, dass Verspätungen bei Eurowings oft länger dauern. Denn erst ab drei Stunden lohnt es sich für Passagiere, Entschädigung einzufordern.

Schmid hat selbst jahrelang für ein Luftfahrtunternehmen gearbeitet und führt die Probleme auf Personalmangel zurück. „Das würde offiziell natürlich niemand zugeben. Aber ich vermute: Die Lufthansa-Piloten weigern sich, sich auf Eurowings-Maschinen umschulen zu lassen“, so Schmid. Verschiedene Hinweise, wie Begründungen von Verspätungen, ließen darauf schließen. Wechsele ein Lufthansa-Pilot zur Tochter Eurowings bedeute das: weniger Sicherheit und weniger Geld. Schmid ist der Meinung, die Lufthansa habe die Bereitschaft ihrer Piloten überschätzt, zu Eurowings wechseln zu wollen. „Für ein Flugzeug braucht man je nach Strecken- und Einsatzprofil 4,5 bis 8 Kapitäne“, rechnet Schmid vor, „um einen geordneten Flugbetrieb trotz Krankheitsfällen und anderen Vorkommnissen zu gewährleisten“. Eurowings betreibt nach Unternehmensangaben derzeit vier Maschinen auf der Langstrecke. Dafür bräuchte die Airline laut Schmid mindestens 20 Kapitäne. Wie viele Eurowings tatsächlich beschäftigt, gibt die Airline aus Wettbewerbsgründen allerdings nicht Preis.

Eurowings spricht von „besonders vielen Krankheitsfällen"

Dass es Personalengpässe gebe, dementiert Eurowings-Sprecher Heinz Joachim Schöttes. Als häufige Gründe für Flugausfälle und besonders lange Verspätungen nennt Schöttes aber selbst „besonders viele Krankheitsfälle und viele kurzfristige Kündigungen“. Der Eindruck, dass Personal fehlt, könnte auch nach den Schilderungen von GA-Leserin Christina Kozlowsky entstehen. Sie pendelt regelmäßig zwischen Wien und Köln und schreibt, dass Verspätungen bei Eurowings an der Tagesordnung seien. „Einmal war ein Crewmitglied nicht da, dann war die Crew nicht vollständig, dann war das Flugzeug nicht da.“ Eine Stunde sei der Flieger häufig zu spät, manchmal mehr.

Seit Beginn des Jahres absolvierte Eurowings mehr als 1000 Flüge auf der Langstrecke. Eurowings selbst gibt an: Davon seien anfangs sieben Prozent mehr als drei Stunden zu spät gewesen. Mittlerweile seien es nur noch drei Prozent.

Demnach scheint Eurowings zumindest auf der Langstrecke zeitweise wohl doch aus dem Rahmen gefallen zu sein. „Bei den Kunden können wir uns nur entschuldigen“, sagt Eurowings-Sprecher Heinz Joachim Schöttes. Den Anstieg der Verspätungen im Juni erklärt er mit besonders vielen unvorhergesehenen Vorfällen wie Unwettern und Streiks in Frankreich. Die Kritik mangelnder Information der Passagiere streitet er nicht ab.

Das Unternehmen plane auch in der Hinsicht, etwas zu tun. Künftig soll es eine eigene Website nur für Verspätungen geben, wo es ausführliche Informationen geben soll. Zudem fordert er die Kunden auf, bei der Buchung ihre Mailadresse und Handynummer anzugeben, dass sie die Airline direkt kontaktieren könne.

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