Unternehmen in Bonn Gewerkschaft kritisiert Anstieg von Leiharbeitern

BONN · Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten kritisiert den Anstieg um 38 Prozent innerhalb von zehn Jahren. Der Bundestag berät in dieser Woche eine entsprechende Gesetzesreform zum Thema.

 Leiharbeiter sind bei der Altersvorsorge schlechter gestellt.

Leiharbeiter sind bei der Altersvorsorge schlechter gestellt.

Foto: dpa

Die Zahl der Leiharbeiter in Nordrhein-Westfalen hat sich innerhalb von zehn Jahren auf 185.000 verdoppelt, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) am Montag unter Berufung auf die Agentur für Arbeit mitteilte. In Bonn stieg die Zahl der Zeitarbeit-Beschäftigten demnach um 38 Prozent auf 3313. NGG-Geschäftsführer Mohamed Boudih, der für die Region Köln-Bonn zuständig ist, forderte die Bundesregierung auf, den „Wildwuchs im heimischen Arbeitsmarkt“ wirksam zu bekämpfen.

Die große Koalition im Bund hatte sich im Sommer auf eine Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen für die sogenannte Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge geeinigt. Die parlamentarischen Beratungen eines Gesetzentwurfs von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) beginnen am Dienstag.

Leiharbeiter und Werkvertrags-Beschäftigte sind in dem Unternehmen, das sie beschäftigt, nicht angestellt und arbeiten für einen geringeren Lohn als die Stammbelegschaft. Schlechter gestellt sind sie etwa auch bei der Altersvorsorge und den Urlaubsansprüchen. Die Gewerkschaften sprechen von einem „Geschäftsmodell zum Lohndumping“.

Bei Haribo "ganze Schichten" mit Leiharbeitern

Laut NGG sind in NRW besonders viele Leiharbeiter in der Fleischwirtschaft, der Süßwarenindustrie und in Molkereien tätig. Wie der stellvertretende Landesvorsitzende Dieter Schormann dieser Zeitung mitteilte, sind bei Bonns siebtgrößtem Arbeitgeber Haribo „ganze Schichten im Verpackungsbereich“ mit Leiharbeitern besetzt. Auf Nachfrage äußerte sich das Unternehmen zunächst nicht dazu. Fleischhof Rasting in Meckenheim erklärte hingegen, keine Zeitarbeiter oder Werkvertragsarbeiter zu beschäftigen.

Nach dem Willen der Koalition sollen Leiharbeiter nur noch maximal 18 Monate an einen Betrieb ausgeliehen werden dürfen. Zudem sollen sie nach spätestens neun Monaten den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft bekommen. Bisher gilt die Devise „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nur, wenn das Verleihunternehmen keinen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften geschlossen hat.

Bei Werkverträgen soll genauer definiert werden, was sie von einem normalen Arbeitsverhältnis unterscheidet. Dabei bezahlt ein Unternehmen ein anderes Entgelt für die Fertigstellung eines Auftrages, etwa für die Einrichtung eines IT-Netzwerkes. Im Unterschied zum Leiharbeiter sind die Werkvertragarbeiter nicht in das Stammpersonal integriert.

Kein Mitbestimmungsrecht für Betriebsräte

Ursprünglich sollte die Leiharbeit Arbeitslosen und Geringqualifizierten helfen, einen Job zu finden. „Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt“, sagte Schormann. „In der Fleisch- und Süßwarenindustrie gibt es keine Übernahmen in ein festes Arbeitsverhältnis beim Entleihunternehmen“.

Was die NGG an der Nahles-Reform stört: Die Vorschrift, dass Leiharbeiter nicht länger als 18 Monate an einem Arbeitsplatz beschäftigt sein dürfen, schütze nicht den Arbeitnehmer, sondern beziehe sich auf die Tätigkeit. Eher dürfte die Stelle nach anderthalb Jahren mit einem neuen Leiharbeiter besetzt werden, mutmaßt die Gewerkschaft. Ferner kritisiert sie, dass die Betriebsräte kein Mitbestimmungsrecht bei der Beschäftigung von Zeitarbeitern bekommen sollen. Der Gesetzgeber sieht nur Informationsrechte vor.

Nach Zahlen, die die Bundesregierung vorlegte, gab es in Deutschland im Jahr 2014 insgesamt 880.000 Leiharbeiter. Dabei waren Verkehr und Logistik die Branchen mit der größten Anzahl an Zeitarbeitnehmern (177.000), gefolgt von der Metallbranche. Aber auch in Krankenhäusern, sowohl öffentlichen wie privaten, sind Leiharbeiter Gang und Gäbe.

Für die großen Konzerne Deutsche Post und Deutsche Telekom sind Leiharbeit und Werkverträge ebenfalls ein wichtiges Thema. So werden die Arbeitgeber die Bundestagsberatungen genau verfolgen und hoffen, dass nicht weitere Verschärfungen kommen.

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