Verband der Gewürzindustrie sitzt in Bonn Gewürzmarkt in Deutschland ist ein Milliardengeschäft

Bonn · Das Geschäft mit Gewürzen läuft gut. Die Importe haben sich in 20 Jahren mehr als verdoppelt. Der Fachverband für 87 Betriebe sitzt in Bonn.

Pfeffer, Curry, Paprika – ohne getrocknete Kräuter und Pflanzen und ihre Aromen sind selbst industriell hergestellte Lebensmittel bis heute undenkbar. Ein gutes Geschäft für die 87 Betriebe, die im Fachverband der Gewürzindustrie versammelt sind. Und die wachsende Lust auf Scharfes würzt zunehmend die Bilanzen: Von 1995 bis 2015 hat sich die Menge der importierten Gewürze von 53.575 auf 130.914 Tonnen mehr als verdoppelt, weist der aktuelle Marktüberblick aus. Der Wert stieg im selben Zeitraum von 112 auf 547 Millionen Euro. „Bei den Umsätzen sprechen wir im Gewürzmarkt in Deutschland insgesamt von einem Milliardengeschäft“, sagt Hauptgeschäftsführer Markus Weck in der Geschäftsstelle in der Reuterstraße.

Unterscheiden muss man dabei zwischen Einzelgewürzen für den Endverbraucher und Gewürzmischungen – sogenannte Wurstgewürze – und Konservierungssalzen, die etwa Bratwurst und Aufschnitt, Kartoffelchips oder Tütensoßen die richtige Würze verleihen. Weil Salz selbst als Mineral definitionsgemäß nicht zu den Gewürzen zählt, gab es vor dem Zweiten Weltkrieg zwei getrennte Branchenverbände. In diesem Jahr können sie auf ein Jahrhundert Verbandsgeschichte zurückblicken. 1946 als gemeinsamer Fachverband neu gegründet, ist der Verein seit 1954 in Bonn ansässig. Und will auch hier bleiben: „Für Lebensmittelhersteller spielt die Musik bei der EU“, sagt Weck. Und Flüge von Berlin nach Brüssel seien dreimal teurer als Tickets von Bonn nach Berlin. Von hier aus sei die europäische Hauptstadt dagegen in anderthalb Stunden bequem per Zug zu erreichen.

Startups behaupten sich erfolgreich in Nischen

Auch wenn einige Große wie die Firmen Fuchs und Ostmann den Gewürzmarkt dominieren, sind bei Import und Veredelung insgesamt nur inhabergeführte Betriebe unterwegs. „In den letzten Jahren haben sich auch einige Startups wie Ankerkraut aus Hamburg oder Just Spices aus Düsseldorf erfolgreiche Nischen gesucht“, berichtet Weck. Mit mehr Informationen zum Produkt und größerer Transparenz lockten die jungen Unternehmen vor allem nachhaltig orientierte oder gesundheitsbewusste Kunden. Das sei in gewisser Weise eine Rückkehr zu den Wurzeln mit anderen Vorzeichen, findet Weck. Früher hätten Händler den Kunden wüste Geschichten erzählt, um den Wert der Gewürze hochzutreiben. Zimt stammte demnach angeblich aus den Nestern angriffslustiger Raubvögel im Himalaya. „Heute geht es um Aufklärung über die aufwendigen Anbaumethoden und die sorgsame Veredelung der Ware“, sagt Weck.

Apropos Gesundheit: Ein Bericht in einem einschlägigen Apotheken-Blättchen brachte vor Kurzem die traditionelle Reihenfolge der wichtigsten Gewürze erheblich in Unordnung. Ingwer steht seither nach Pfeffer und Paprika auf Platz drei der deutschen Lieblingsgewürze, gefolgt von Zimt, Kümmel und Muskatnuss. Der Ingwer-Import stieg von 14.000 Tonnen 2014 auf 22.000 Tonnen im Jahr 2018 an und macht selbst dem Pfeffer (28.000 Tonnen) inzwischen ernsthaft Konkurrenz.

Weitgehend Importe

Inzwischen gebe es vor allem in Süddeutschland sogar erste Anbauversuche mit Ingwer. Ansonsten ist die Branche weitgehend auf Importe aus den Tropen und den Subtropen angewiesen. Nur wenige Firmen betreiben dort eigene Plantagen. Der Bonner Verband fungiere deshalb auch als Qualitätsnetzwerk für die Importeure, berichtet Weck. Immer wieder versuchen Fälscher, unsaubere Ware zu versilbern. Oregano etwa wird mit bitter schmeckenden Blättern von Olivenbäumen versetzt. „Wenn das gemahlen ist, können Sie es nur noch unter dem Mikroskop erkennen“, warnt Weck. Wenn Betrüger aufflögen, warnen sich die Unternehmen gegenseitig.

Auch das Thema Qualitätskontrolle wird zusehends wichtiger. Es gilt etwa, Allergikern sichere Produkte zu bieten. Dabei sei es für die Produzenten schwierig, etwa das Einwehen von Getreide von Nachbarfeldern gänzlich zu vermeiden.

Heftig diskutiert wurde in letzter Zeit zudem die Dampfentkeimung. Dabei wird die Ware noch im Herkunftsland kurz unter Dampf desinfiziert. Der Hamburger Zoll – über den dortigen Hafen kommt noch immer das Gros der Gewürze an Land – sprach indessen von Blanchieren und verlangte deshalb höhere Zolltarife für veredelte Rohstoffe. Zudem macht den Importen der Klimawandel zunehmend Sorgen. „Wir spüren das deutlich vor allem in der Zunahme tropischer Stürme“, berichtet Weck. 2004 brachte allein Hurrikan Ivan auf der Karibik-Insel Grenada auf einen Schlag jeden vierten Muskatnussbaum zu Fall.

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