Georg Cornelissen aus Bonn ist einer von "deutlich unter 100" Dialektologen

Der Sprachwissenschaftler weiß, wo man "schnuppt", "schnöst", "schlucht" oder "schneust"

Bonn. Sein Lieblingswort ist "Fisimatenten". Das heißt soviel wie Quatsch oder dummes Zeug. "Das meiste, was über dieses Wort gesagt wird, ist Quatsch", sagt Georg Cornelissen, der in zahlreichen Aufsätzen gegen die Vorurteile über dieses Wort angeschrieben hat - "mit Schmackes und lächelnd".

Seit 1985 arbeitet der promovierte Germanist beim Landschaftsverband Rheinland im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, dem früheren "Amt für rheinische Landeskunde" in Bonn.

Der 54-jährige Sprachforscher ist nach eigenen Angaben einer von bundesweit "deutlich unter 100" Dialektologen. Im Rheinland hat er weniger als ein Dutzend Berufskollegen, die vermutlich alle auch "immer im Dienst" sind.

Selbst nach Feierabend ist Georg Cornelissen ganz Ohr. "Wenn ich neben Menschen vor einem Schaufenster stehe, höre ich ob die 'isch' oder 'ich' sagen, 'dat' oder 'das'." Oder im Bonner Kaufhaus: "Villeischt kann et Sabine gleisch ma helfen."

Ein gutes Sprachgefühl ist unverzichtbar: Nur so merkt man die feinen Unterschiede. So sagen Bonner für "naschen" oder "Süßes essen" beispielsweise "schnuppen", "schnösen" oder "Jeschnüpps" (Süßigkeiten), Siegburger "schnösen", Windecker "schluchen", Oberdollendorfer "schlucken" oder "schnösen". In Ahrweiler heißt es "schneusen" und in Dernau "schnösen".

Wozu das alles, warum Sprachforschung? Die Bonner Dialekt-Experten verstehen sich als Dienstleister für die Bevölkerung in allen Fragen rund um alte und neue Dialekte der Region.

Linktipp Weitere Informationen rheinische-landeskunde.lvr.de"Durch meine Arbeit weiß ich, dass bei vielen Menschen das Herz an der Sprache hängt". Über Sprache identifizieren wir uns mit dem Ort, dem Raum und Menschen, die uns verbunden sind.

Wie jemand spricht, verrät seine Herkunft. Georg Cornelissen hört auch, ob jemand aus Essen-Nord oder Essen-Süd stammt. Dabei interessieren ihn und seinen Kollegen Peter Honnen nie das Dudendeutsch, sondern alle regionalen Sprachformen. "Und das Rheinland ist überreich."

Sprache ist laut Cornelissen ein nachwachsender Rohstoff, sie ändert sich ständig. "In Bonn ist die Zahl der Platt-Sprecher rapide gesunken. Die Bonner sprechen aber dennoch anders Hochdeutsch als die Düsseldorfer, der Ahrweiler spricht ganz anders als der Mainzer oder Kaiserslauterer", sagt Cornelissen. "Davon leben wir."

Der Dialektologe, der als Schüler gern Latein und Geschichte mochte und auch auf niederländisch publiziert, arbeitet als Berater für Arbeitskreise und Vereine, erteilt Auskünfte, dokumentiert Tonaufnahmen, wertet Fragebögen sowie Interviews aus und vermittelt durch viele gefragte Bücher, Aufsätze, Sprachkarten, Vorträge und ab Montag auch in einem Quiz des WDR-Fernsehens die Ergebnisse.

Sein Arbeitsgebiet umfasst den rheinländischen Teil von NRW und angrenzende Regionen. Die Arbeit kommt bei den Menschen gut an. Ob alt oder jung: Viele helfen bereitwillig mit, schicken Fragebögen zurück, geben Anregungen und fragen: "Wann sind Sie denn mal wieder in unserer Gegend?"

Nie habe jemand die Erstattung des Rückportos erbeten. "Wir machen anderen Freude dadurch, dass sie für die Sprachforschung arbeiten", sagt Cornelissen. Dadurch ist auch das größte Dialektarchiv im Rheinland (mit Stimmen aus Niederbachem und Godesberg) entstanden.

Dennoch ist viel verloren gegangen. Georg Cornelissen hat leuchtende Augen, wenn er - weit zurück - an Menschen zur Zeit Napoleons denkt: "Wie toll wäre es, deren Dialekt mal aufgenommen zu haben!"

TV-TippDas WDR-Fernsehen zeigt ab Montag, 31. August, in "daheim & unterwegs" das Sprach-Quiz "dat & wat" mit Georg Cornelissen (gegen 16.49 und 17.26 Uhr).

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