Energie im Rhein-Sieg-Kreis Für die Bürger wird das Klima rauer

Siegburg · Fast die Hälfte des Ökostroms stammt aus sogenannter Bürgerenergie. Weil sich die Rahmenbedingungen verschlechtern, werden aber immer weniger Energiegenossenschaften gegründet.

Spricht Thomas Schmitz über das jüngste Projekt der Bürgerenergie Rhein-Sieg, ist ihm ein gewisser Stolz anzumerken. „Die Idee dazu war bereits 2010 entstanden, noch vor der eigentlichen Gründung unserer Energiegenossenschaft“, sagt Schmitz, Vorstand der Energiegenossenschaft. Im April dieses Jahres konnte die Anlage in Betrieb genommen werden. Über 1700 Quadratmeter erstreckt sich die Photovoltaikanlage (PV) auf den Dächern des Seniorenzentrums Siegburg. Rund 210 000 Kilowattstunden Ökostrom erzeugen die Paneele, ermöglicht durch das ehrenamtliche Engagement und die Investitionen der Mitglieder der Genossenschaft.

Es sind bürgerschaftliche Projekte wie diese, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtstromproduktion in den letzten Jahren stetig gewachsen ist. Und fast jede zweite Kilowattstunde des Ökostroms stammte 2012 aus sogenannter Bürgerenergie, also aus Anlagen, die von Bürgergenossenschaften oder Privatpersonen betrieben werden. Das geht aus einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg hervor. Rund 900 Energiegenossenschaften gibt es mittlerweile in Deutschland.

Die Vielfalt der Akteure auf dem Markt der erneuerbaren Energien möchte auch die Bundesregierung mit der im Juli beschlossenen Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sicherstellen. So jedenfalls steht es in dem Gesetzestext. Gleichzeitig aber kappt die Reform ab 2017 die feste Vergütung für Betreiber von Windparks oder Solaranlagen für deren eingespeisten Strom. Stattdessen soll der Strompreis per Ausschreibung im Wettbewerb ermittelt werden: Wer das günstigste Angebot macht, also am wenigsten Subventionen pro Kilowattstunde Strom verlangt, erhält den Zuschlag für eine Anlage. Viele Energiegenossenschaften, die die Energiewende in Bürgerhand vorantreiben möchten, sehen angesichts hoher Kosten für Ausschreibungen eine Benachteiligung gegenüber größeren Anbietern und Konzernen. „Mit der Einführung von Ausschreibungen wird nun eine weitere Hürde für die Bürgerenergie geschaffen“, sagt etwa Eckard Ott, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands.

Zwar sieht die EEG-Reform vor, dass Bürgerprojekte früher als große Konkurrenten in Ausschreibungen einsteigen dürfen – dieses Zugeständnis verfehle laut Kritikern jedoch sein Ziel. „Je früher man in die Ausschreibung geht, desto schlechter lassen sich die Strompreise kalkulieren“, sagte Marcel Keiffenheim von der Genossenschaft Greenpeace Energy der Deutschen Presse-Agentur. Tauche später ein teures Problem auf, drohe bei den zuvor so niedrig wie möglich kalkulierten Preisen die Pleite.

Über eine weitere Maßnahme zur Wahrung der Akteursvielfalt dürften sich zumindest Eigenheimbesitzer freuen: Anlagenbetreiber, die weniger als 750 Kilowattstunden Strom produzieren, bleibt die feste Vergütung erhalten. Auch Thomas Schmitz findet, dass sich die Rahmenbedingungen seit der Gründung der Bürgerenergie Rhein-Sieg im Januar 2011 von Jahr zu Jahr verschlechtert haben. Der jüngsten EEG-Novelle gingen bereits zahlreiche Gesetzesänderungen in den letzten Jahren voraus. Das sei ein enormer Aufwand, so Schmitz. Die Genossenschaften müssen nicht nur das EEG beachten, sondern auch viele andere Bestimmungen wie das Kapitalanlagegesetz oder rechtliche Bestimmungen aus dem Strombereich. „Da wundern mich die Reaktionen mancher Vorstände nicht, die irgendwann sagen: Das machen wir nicht mehr“, sagt Schmitz. Bundesweit gehen Zahlen der Neugründungen von Energiegenossenschaften zurück. Waren es 2011 noch 167, entstanden 2015 lediglich 40 neue. Deutlich werde das Problem am Beispiel des aktuellen Projekts auf dem Dach des Siegburger Seniorenheims. Die Verhandlungen mit dem Eigentümer haben sich über fünf Jahre hingezogen, sagt Schmitz. „In dieser Zeit mussten wir bestimmt an die 30 Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchführen lassen, um immer wieder herauszufinden, ob sich das Projekt auch bei den erneut geänderten Bedingungen noch lohnt.“

Dennoch sieht sich die Bürgerenergie für die Zukunft gut gerüstet – selbst bei einem Wegfall der festen Einspeisevergütung. „Das bedroht uns nicht. Wir haben die Weichen schon 2014 gestellt, und sind breit genug aufgestellt, als dass wir in der Wirtschaftlichkeitsberechnung allein auf die EEG-Vergütung angewiesen wären.“ Im vergangenen Jahr zahlte die Genossenschaft erstmals eine Dividende. Mitglieder erhielten zwischen 1,5 und 5,9 Prozent – je nach Dauer der Mitgliedschaft. 2016 betrug die Dividende für alle zwei Prozent. Dennoch hofft Schmitz auf mehr Rückhalt in der Politik. Das könnte sich auch für die Energiewende auszahlen. Schließlich zählt zu den schwierigsten Themen der Netzausbau.

Der Windkraftstrom aus dem Norden muss in den Süden transportiert werden. Dezentral erzeugte und verbrauchte Energie aus Bürgerhand bietet hier Vorteile: „Wir können Bürger mitnehmen, was anderen nicht gelingt, weil wir eben in der Region sind.“

Auch hier lohnt der Blick auf die PV-Anlage auf den Dächern des Siegburger Seniorenheims: 75 Prozent des produzierten Solarstroms verbraucht das Haus selbst, der Rest wird in der Umgebung genutzt. „Es gründen mittlerweile schon die großen Energiekonzerne Genossenschaften, um die Bürger für Projekte zu gewinnen. Das ist legitim, aber das verkehrt den eigentlichen Gedanken, der dahinter steht“, sagt Schmitz.

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