Unternehmerforum in Bonn Experten diskutieren über Gesundheit in digitaler Arbeitswelt

Bonn · Experten diskutierten auf Einladung der Barmer im Maritim-Hotel über Stressvermeidung in der neuen Arbeitswelt. Was Twitter & Co. dem Chef verraten.

 Telearbeit kann Beschäftigte zufriedener machen.

Telearbeit kann Beschäftigte zufriedener machen.

Foto: picture alliance / Daniel Naupol

Eine Meldung machte vergangene Woche die Runde: Der Softwarehersteller SAP hat eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die es allen 22.000 Beschäftigten ermöglicht, auf Wunsch von zu Hause aus zu arbeiten. „Niemand kann sagen, wie Telearbeit auf die Psyche wirkt. Experimentell kann der Nachweis nicht erbracht werden“, sagte Stephan Böhm von der Universität St. Gallen am Mittwochabend auf dem Unternehmerforum der Barmer in Bonn.

Der Betriebswirt Böhm konnte aber die Ergebnisse von zwei Studien präsentieren, bei denen er jeweils rund 8000 Personen befragte. Demnach können die Teleheimarbeit oder das Home Office zum guten Nachtschlaf beitragen. Der Grund: Die Betroffenen sind zufriedener, weil sie selbstbestimmt ihre Arbeitszeit einteilen können.

Dabei ist die Telearbeit nur eine Folge des digitalen Wandels der Arbeitswelt, die alle Branchen betrifft von der Zahnarztpraxis, wo der 3D-Drucker die Zahnarzthelferin ersetzt, bis zur Landwirtschaft, wo der Bauer sich von der Düngung bis zum Milchmelken von Computern unterstützen lässt. „Der technologische Optimismus ist groß“, sagte Böhm vor rund 300 Zuhörern im Maritim-Hotel.

Digitalisierung schafft Freiheit

„Über 90 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass die Digitalisierung mehr Freiheiten schafft.“ Dem Optimismus stehen aber neue Unsicherheiten, Überforderung bis hin zum Burnout-Syndrom gegenüber. Wie Unternehmen die richtige Balance bei der Personalführung finden, kann ihnen etwa die Barmer zeigen. Nach Aussage von Barmer-Vizevorstandchef Jürgen Rothmaier berät die Krankenkasse jährlich rund 6000 Unternehmen im Gesundheitsmanagement.

Christian Illek, Personalvorstand der Telekom, hob den Erkenntnisgewinn durch die sozialen Medien hervor: Durch sie bekomme er den direkten Draht etwa zum Verkäufer im Frontoffice, was sich früher durch E-Mail-Verkehr nicht ergeben habe. Auf eine Frage aus dem Publikum, wie virtuelle Führung am besten gelinge, unterstrich Böhm die Bedeutung des richtigen Kommunikationskanals. „Manchmal ist das persönliche Gespräch wichtiger als die E-Mail.“

Kein Konzept für digitale Bildung

Weil Digitalisierung auch ein großes Experimentieren ist, müssten Chefs ihren Teams gegenüber eine höhere Fehlertoleranz zeigen, erklärte Illek. „Wobei Fehlertoleranz natürlich nichts in der Lohnbuchhaltung zu suchen hat“, räumte er ein. Simone Stein-Lücke, Gründerin der Bildungsinitiative BG3000, sagte: „Stress entsteht, wenn Menschen Kontrollverlust haben, weil sie nicht verstehen, was sie tun.“ So sieht Betriebswirt Böhm denn auch im Programmieren die neue Kulturtechnik „wie Lesen und Schreiben.“ Eine Erkenntnis, die hierzulande noch nicht angekommen ist: Laut Stein-Lücke ist Deutschland inzwischen das einzige Land in Europa, das noch kein Konzept für die digitale Bildung hat. Es bleibt also noch viel zu tun.

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