Untreueprozess um Josef Esch Ex-Kommunist Eberhard Kempf vertritt Josef Esch vor Gericht

Frankfurt · Er steht seit September vor dem Kölner Landgericht an der Seite des Troisdorfer Bauunternehmers Josef Esch: Der Frankfurter Strafverteidiger Eberhard Kempf vertritt heute Unternehmer und Manager. In jungen Jahren bekannte er sich zum Kommunismus.

Auf den ersten Blick ist es ein Bruch in seiner Vita: Ein ehemaliger Kommunist, der heute Manager und Unternehmer vertritt, die ihm bis zu 600 Euro die Stunde zahlen. Der Frankfurter Rechtsanwalt Eberhard Kempf (74), der zu den besten Strafverteidigern Deutschlands gehört, vertrat gerade in seinen ersten Berufsjahren vor allem Vertreter der linken Szene. Heute steht er an der Seite von Ex-VW-Chef Matthias Müller und Bauunternehmer Josef Esch.

Doch was für Außenstehende nach einem ziemlichen Wandel aussieht, ist für Kempf kein Widerspruch: „Es gibt viele, die sagen, ich hätte meine Ziele, die ich früher hatte, verraten.“, erklärt er. Seine Meinung dazu ist eine andere. „Ich verstehe es für mich nicht so, als dass ich die Seiten gewechselt hätte.“ Auf einer beruflichen Veranstaltung hört er einmal zufällig, wie ein Kollege über ihn sagt, er sei ein „bourgeoises Arschloch“ geworden.

Mit seinen Kindern kann er über solche Anekdoten zwar lachen, kalt lassen ihn solche Äußerungen allerdings nicht: „Das tropft nicht einfach an mir ab. Weil ich mich natürlich damit auseinandersetze, gibt es den Bruch in meiner Vita oder nicht. Ich meine nicht.“ Und doch muss Kempf zugeben: Zu Beginn seiner Karriere hätte er sich nicht vorstellen können, jemals den Chef der Deutschen Bank vor Gericht zu vertreten. „Ich stand den Tätern damals näher, als ich es im weiteren Verlauf meiner Berufstätigkeit für richtig gehalten habe“, blickt er nüchtern zurück.

Vertrat auch Ex-Terrorist Hans-Joachim Klein

Einer seiner Mandanten in den 90ern war der Ex-Terrorist Hans-Joachim Klein. Mehrere Male besucht Eberhard Kempf ihn in Frankreich im Untergrund. Es ist Ende 1998, als er seinen Mandanten auf die Rückkehr nach Deutschland vorbereitet, wo dieser sich den Behörden stellen will. „Er lebte dort unter falscher Identität auf einem Bauernhof“, erinnert sich der 74-jährige Rechtsanwalt heute. In den 70ern war Klein Teil eines Kommandos, das das Attentat auf der Opec-Konferenz in Wien beging. Das sechsköpfige Kommando nahm Geiseln und erschoss drei Menschen.

Dass der frühere Terrorist von seinen Unterstützern an Kempf vermittelt wird, ist kein Zufall. Denn der Strafverteidiger aus Frankfurt ist kein unbeschriebenes Blatt in der linken Szene: Er kandidierte in den 70ern für den Kommunistischen Bund Westdeutschlands, vertrat Demonstranten und RAF-Anwalt Klaus Croissant. Das Rederecht eines seiner Mandanten verteidigt er einmal mit solcher Vehemenz, dass er am Ende von Polizisten aus dem Gerichtssaal getragen wurde.

„Gedacht war, dass Klein mit mir zusammen zurückkommt und sich stellt“, erzählt Kempf heute in seiner Kanzlei im Frankfurter Westend. Das klappt damals nicht ganz. Die Behörden kommen ihm zuvor, weil Telefone abgehört werden. Klein wird in Frankreich festgenommen. An Kempfs Seite wird er am Ende wegen Mittäterschaft und aufgrund einer Kronzeugenregelung 2001 zu neun Jahren Haft verurteilt.

Ein somalischer Hirte gegen die BRD

Nur zwei Jahre später verteidigt Kempf den früheren Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im Mannesmann-Prozess. Während die Manager ihm heute hohe Summen für seine Dienste zahlen, war das Mandat für den früheren Terroristen Klein pro bono.

Aber, dass der Name Kempf heute eher im Zusammenhang mit prominenten Mandanten fällt, heißt nicht, dass der Rechtsanwalt ohne entsprechendes Honorar nicht mehr tätig wird. Nach wie vor – betont Kempf – würde er keinen Mandanten mit einem berechtigten Interesse abweisen. Derzeit vertritt Kempf einen Somalier, dessen Vater, ein Hirte, durch einen US-amerikanischen Drohnenangriff starb – ein Kollateralschaden im Kampf gegen den Terrorismus. Die Klage richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland. Denn die US-Angriffe werden von Ramstein aus koordiniert. Allerdings gelte dort deutsches Recht, erklärt Kempf. Die Bundesregierung sei somit mitverantwortlich.

Sein Klient Esch kam mit Geldstrafe davon

Kempf zählt laut Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ zu den besten Strafverteidigern Deutschlands. Im Oppenheim-Esch-Prozess war sein Mandant Josef Esch der einzige, der nur eine Geldstrafe erhielt. Und ob Esch tatsächlich zahlen muss, ist noch nicht entschieden. Darüber entscheidet der Bundesgerichtshof Anfang Juni.

Kempf lernt Esch in den 90ern kennen. Damals geht es um eine juristische Auseinandersetzung rund um den Bau der Köln-Arena. Seitdem begleitet er ihn vor Gericht. „Da entsteht im Laufe der Zeit schon ein persönliches Näheverhältnis bei gleichzeitiger Wahrung von Distanz“, beschreibt Kempf seine Beziehung zu dem Bauunternehmer. Der Rechtsanwalt bringt ihm bei, wie man sich auf dem Gerichtsparkett bewegt, worauf es ankommt, worauf man achten und was man vermeiden muss.

Kempf entwickelt auch eine Strategie mit Esch, wie er sich vor Gericht präsentiert. Dass Esch nicht selbst aussagt, sondern schriftliche Erklärungen von seinen Anwälten verlesen lässt, gehört dazu. Für Kempf bedeutet dieses Vorgehen vor allem Sicherheit. Dass Mandanten einfach drauf losreden, ist ihm zu unsicher. Er will sich verstanden wissen und dass das ankommt, was er transportieren will. Denn zu oft werden Zeugen und Angeklagte in seinen Augen vor Gericht missverstanden oder falsch wiedergegeben. Der Grund dafür aus seiner Sicht ist ganz klar: Es mangelt in Deutschland an der Dokumentation von Prozessen. Audioaufzeichnungen sind in Gerichtssälen nur in Ausnahmefällen erlaubt. Kempf fordert genau das ein. Auch öffentlich. Zuletzt in einem Gastbeitrag in der „Zeit“.

Stenograf ist zur Sicherheit immer dabei

Um diesen Missstand des deutschen Rechtssystems auszugleichen, hat Kempf in wichtigen Prozessen, wie auch derzeit vor dem Kölner Landgericht oder bei Oppenheim, immer einen Stenografen dabei. Denn in seinen Augen ist es „ein Skandal“, dass in deutschen Gerichtssälen keine Audioaufzeichnungen zugelassen sind. Für ihn sind das Zustände „wie vor 200 Jahren“.

Die Argumente der Justiz für dieses Verbot bezeichnet er als „albern“, er schreibt von „Scheinargumenten“. Für die Richter findet er scharfe Worte: Vor allem deren „rückständige Haltung in den Köpfen“ müsse sich ändern. Deren Einstellung sei nur eine Frage der Macht. Sie wollten ihre Hoheit im Gerichtssaal nicht aufgeben. Provokativ kann Kempf also noch immer. Er setzt sich weiterhin für das ein, was ihm wichtig ist – vielleicht in einem etwas anderen Rahmen als früher.

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