Interview mit Rolf Kornemann "Die Nebenkosten laufen davon"

Bonn · Der Präsident von Haus & Grund Deutschland, zur Lage der Immobilienbesitzer in Deutschland. "Wer in Universitätsstädten wie Köln und Bonn Immobilien besitzt, darf sich aktuell über eine hohe Nachfrage und zum Teil stark steigende Mieten freuen, auf dem Land sieht das aber ganz anders aus. Da machen sich viele Hauseigentümer um die Finanzierung Sorgen."

 In Einzelfällen schon höher als die Kaltmiete: Energiekosten, aber auch die steigende Grundsteuer B treiben die Nebenkosten für Mieter und Eigenheimbewohner.

In Einzelfällen schon höher als die Kaltmiete: Energiekosten, aber auch die steigende Grundsteuer B treiben die Nebenkosten für Mieter und Eigenheimbewohner.

Foto: dpa

Immobilienpreise und Mieten steigen. Sind die deutschen Hausbesitzer glücklich damit?
Rolf Kornemann: Die Immobilie erlebt in Deutschland eine Renaissance, nachdem sie mehr als ein Jahrzehnt im Dornröschenschlaf lag, das ist richtig. Dafür gibt es drei Gründe: Erstens die doppelten Abiturjahrgänge, die jetzt für einen großen Bedarf an Studentenwohnungen sorgen, zweitens die hohen Spritpreise, die viele Familien dazu bewegen, wieder in die Städte zu ziehen. Drittens die Angst ums Geld und fehlende Anlagealternativen. Aber das Bild ist trotzdem gemischt.

Inwiefern?
Kornemann: Wer in Universitätsstädten wie Köln und Bonn Immobilien besitzt, darf sich aktuell über eine hohe Nachfrage und zum Teil stark steigende Mieten freuen, auf dem Land sieht das aber ganz anders aus. Da machen sich viele Hauseigentümer um die Finanzierung Sorgen.

Strahlt das Betongold nicht bis aufs Land aus?
Kornemann: Hier und da vielleicht, aber es gibt in vielen ländlichen Gebieten große Probleme: Die jungen Leute sind weggezogen, Geschäfte und Infrastruktureinrichtungen schließen, Arbeitsplätze fallen weg. Dagegen gibt es bisher keine überzeugenden Konzepte.

Sind Häuser auf dem Land ein Verlustgeschäft?
Kornemann: Wer heute dort kauft, zahlt wahrscheinlich schon marktgerechte Preise. Ich glaube nicht, dass es noch wesentlich weiter nach unten geht.

Es gibt Stimmen, die vor einer Immobilienblase in Deutschland warnen...
Kornemann: Das sehe ich anders. Was in den USA, Irland oder Spanien geschehen ist, ist mit den Verhältnissen bei uns gar nicht zu vergleichen. Dort hat man den Markt künstlich dadurch angeheizt, dass Immobilien über Wert beliehen wurden. Da haben viele Leute dann zum Haus gleich noch ein großes Auto gekauft. In den Kreditverträgen wurde teilweise auf Tilgung verzichtet. Als dann die Rezession kam, wurden diese Eigentümer sofort zahlungsunfähig, der Markt brach zusammen. Wenn Sie in Deutschland einen Hauskredit möchten, verlangen die Banken Eigenkapital und einen Tilgungsplan. Das sind solide Finanzierungen.

Inwieweit machen den Hausbesitzern steigende Nebenkosten zu schaffen?
Kornemann: Das ist ein Riesenproblem. Die Nebenkosten laufen davon. Strom- und Heizkosten gehen durch die Decke. Aber das ist nicht alles. Die Kommunen erhöhen seit Jahren ständig die Grundsteuer. Keine andere Steuer ist so stark gestiegen. In weiten Teilen betragen die Nebenkosten inzwischen schon die Hälfte der Kaltmiete.

500 Euro Miete und 250 Euro Nebenkosten sind also keine Seltenheit mehr. In den letzten zehn Jahren sind die Kaltmieten um elf Prozent gestiegen, die Grundsteuereinnahmen aber um 30 Prozent und die Strompreise sogar um 66 Prozent. Es gibt im Einzelfall Mieter, die mehr für Nebenkosten zahlen als für die Kaltmiete.

Durch energetische Sanierungen könnten die Nebenkosten wieder sinken ...
Kornemann: Energetische Sanierungen sind trotz aller Fördermaßnahmen immer noch teurer, als sie an Nebenkosten einsparen. Das heißt, die Kaltmiete steigt nach der Modernisierung stärker, als die Heizkosten sinken. Es gibt Städte, in denen Hartz-IV-Bezieher deswegen von sanierten in unsanierte Wohnhäuser umziehen müssen, weil die Kommunen nämlich nicht bereit sind, die nach einer energetischen Sanierung höhere Kaltmiete zu zahlen.

Am Dienstag treffen Sie Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Mit welchen Wünschen und Forderungen gehen Sie zu ihm?Kornemann: Es ist das erste Mal, dass uns der neue Bundesumweltminister empfängt. Wir wollen zunächst einmal die Fakten erläutern: Wer sind die Vermieter in Deutschland? Wie alt sind sie? Was verdienen sie? Was können sie sich leisten? Private Vermieter erzielen mit 60 Prozent der angebotenen Wohnungen keinen Gewinn, jeder dritte ist 65 Jahre oder älter, hat also Probleme, Kredite zu bekommen. Ich wünsche mir, dass wir uns auf das Machbare verständigen.

Und das hieße?
Kornemann: Verlangsamen, Tempo rausnehmen. Wir brauchen realistische Ziele. Wenn Sie mir sagen, ich soll die 100 Meter in 9,9 Sekunden laufen, dann fange ich erst gar nicht an zu trainieren. Bei 50 Sekunden, ich bin gerade an der Hüfte operiert worden, da fange ich an zu trainieren.

Zur Person:
Den studierten Volkswirt Rolf Kornemann (68) haben Immobilien schon früh interessiert. 1972 promovierte er in Bonn über "Fehlsubventionierungen im sozialen Mietwohnungsbau". Der gebürtige Westfale war unter anderem sechs Jahre Vorstandschef der Wüstenrot Bank. Kornemann lebt in Berlin und Beilstein bei Stuttgart. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

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