Die Geschäfte laufen auch ohne das Parlament

Regierungsumzug wirkt sich kaum auf die Wirtschaft in der Region aus - Klagen stammen meist von Einzelhändlern

Bonn. Leere Geschäfte in der Innenstadt, steigende Arbeitslosigkeit und Abwanderung von Unternehmen - als vor knapp zehn Jahren der Umzugsbeschluss fiel, herrschte kein Mangel an Horrorszenarien für die Region. Für die Wirtschaft im Raum Bonn/Rhein-Sieg sind sie keine Realität geworden. "Der Umzug hatte nur äußerst geringe Auswirkungen auf die Unternehmen", zog Michael Swoboda, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg Bilanz.

Am Montag stellte er in Bonn die Ergebnisse einer Umfrage des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) zu den Folgen des Umzugs vor. Den Angaben zufolge fühlten sich 36 Prozent der befragten Unternehmer vom Regierungsumzug betroffen. "Schwierigkeiten meldeten vor allem Einzelhändler oder Dienstleister mit Privathaushalten als Kunden", berichtete Gunter Kayser, Leiter des IfM. Die Unternehmen hätten auf die Umsatzrückgänge mit Entlassungen, Veränderung ihres Angebotes und weniger Investitionen reagiert.

Ob der Regierungsumzug direkte Ursache für die Probleme dieser Branchen ist, bleibt jedoch offen. "Diesen Wirtschaftsbereiche befinden sich bundesweit in einem Strukturwandel", erläuterte Kayser. Davon sei Bonn nicht ausgenommen. Er wies außerdem darauf hin, dass verschiedene Einzelhändler ihr Angebot der veränderten Kundenstruktur angepasst hätten und dadurch nach dem Umzug Zuwächse verbuchen konnten.

Laut Umfrage haben sich aus Sicht der Unternehmen die Standortfaktoren in der Region seit 1991 kaum verändert. Als eines der wichtigsten Probleme nannten sie den Mangel an Fachkräften. "Die Aus- und Weiterbildung muss dringend intensiviert werden", sagte IHK-Geschäftsführer Swoboda. So hätten die Unternehmen den Aufbau der Region als Wissenschaftsstandort von den Unternehmen begrüßt. Außerdem klagten die befragten Unternehmer über hohe Gewerbesteuern und Abgaben in der Region.

Positiv bewertet die örtliche Wirtschaft laut Umfrage die Infrastruktur in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis, vor allem die Anbindung an das Straßennetz und den Flughafen. "Auch der Freizeitwert und das kulturelle Angebot spielen für Unternehmer eine wichtige Rolle", sagte Swoboda. Vor allem gefragte Fachkräfte suchten sich ihren Arbeitsort nicht zuletzt nach den Lebensbedingungen aus. "Denen müssen wir auch etwas bieten."

Der IHK-Geschäftsführer forderte dabei eine stärkere Zusammenarbeit von Unternehmen, Verbänden und öffentlicher Verwaltung in der Region. Swoboda: "Wir brauchen professionelles Marketing und das darf nicht an den Stadtgrenzen aufhören." Für die Standortanalyse hat das IfM Fragebögen an 2 000 Firmen geschickt. 265 Unternehmen beteiligten sich an der Umfrage, 90 Prozent davon mit einem Umsatz von weniger als 100 Millionen Mark im Jahr. 20 Prozent der befragten Betriebe wurden erst nach 1991 gegründet.

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