Studie zur Kaufkraft Die Armut wohnt eher in Städten

Berlin · Die Kaufkraft ist in den Ballungsgebieten am niedrigsten. Besonders betroffen ist Köln.

Der reiche Westen und der arme Osten sind Klischees. Das haben Forscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) herausgefunden. Sie machen eine andere Trennlinie aus. Das Armutsrisiko ballt sich demnach in den Städten. Die Kaufkraft sei hier niedriger und die Einkommen wären sehr ungleich verteilt, sagt der Geschäftsführer des IW, Hans-Peter Klös. Bewohnern ländlicher Gegenden geht es dagegen vergleichsweise gut.

Das Institut hat neben den Einkommen pro Kopf auch die Kaufkraft in der jeweiligen Region berücksichtigt. Damit ergibt sich ein neues Bild vom Armutsrisiko in Deutschland. Bundesweit liegt die Armutsgrenze bei einem verfügbaren Monatseinkommen von 917 Euro. Das entspricht 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Bürger.

Berücksichtigt man die Preise am Wohnort, zeigen sich deutliche Unterschiede. „Ein Single in München ist noch bis zu einem Einkommen von 1128 Euro einkommensarm“, erläutert Klös, „während ein Alleinstehender im preisgünstigen Tirschenreuth bereits bei einem Monatseinkommen von 823 Euro nicht mehr zu den Kaufkraftarmen zählt.“ Bei dieser Betrachtungsweise schneidet Ostdeutschland viel besser ab als beim reinen Blick auf Löhne, Renten und Gehälter. Denn das Leben in den neuen Ländern ist preisgünstiger als im Westen.

Auf den vorderen Plätzen der armen Kommunen finden sich ausschließlich Städte. Bremerhaven, Gelsenkirchen, Köln und Duisburg führen die Rangliste der kaufkraftärmsten Ecken des Landes an. Mehr als jeder vierte ist hier gemessen an dem, was er sich leisten kann, arm. Am niedrigsten ist diese Quote im Süden und Südwesten Deutschlands. In den Kreisen am Bodensee, rund um Fürth und Erlangen, an der südlichen Weinstraße oder im Großraum München sind weniger als zehn Prozent von Kaufkraftarmut betroffen.

Bonn liegt im Mittelfeld. Hier zeigt sich gut, wie die preisorientierte Sichtweise des IW wirkt. Die Quote der Einkommensarmut liegt in Bonn bei 16,7 Prozent. Die Armut an Kaufkraft ist mit 19,8 Prozent deutlich weiter verbreitet. Denn die Stadt ist nicht gerade ein billiges Pflaster. Gemessen am bundesweit durchschnittlichen Preisniveau sind Waren und Dienste in Bonn sieben Prozent teurer.

Das IW plädiert angesichts dieses veränderten Blicks auf das Thema Armut über einen Wechsel in der Förderung der benachteiligten Regionen in Deutschland. „Die deutsche Regionalpolitik ist bislang im Kern eine Politik für den ländlichen Raum“, sagt Klös. Dabei müssten die Städte in den Fokus gerückt werden, weil sich dort auch die Problemgruppen, Alleinerziehende und Migranten, verstärkt niederlassen.

Neben der Qualifizierung von Arbeitslosen schwebt dem IW auch ein Programm für überschuldete Kommunen vor. Dies soll den Stadtvätern eine Senkung der oft hohen Gewerbesteuersätze ermöglichen, die Unternehmen von einer Ansiedlung abhalten. Auch die Unterstützung von Gründern und Ansiedlungen soll den Kommunen so ermöglicht werden. Schließlich plädiert das Institut für eine Herabsenkung der Standards für neue Wohnbauten, damit wieder ausreichend bezahlbarer Wohnungen geschaffen werden können.

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