Gesichtserkennung an Kassen Deutsche Post und Real testen personalisierte Werbung

Bonn · Die Deutsche Post und die Handelskette Real testen in ihren Filialen derzeit personalisierte Werbung. Die Bundesdatenschutzbeauftragte sieht dabei rechtliche Probleme. Auch in Sankt Augustin wird getestet.

Über elektronische Displays kann blitzschnell personalisierte Werbung ausgespielt werden.

Über elektronische Displays kann blitzschnell personalisierte Werbung ausgespielt werden.

Foto: picture-alliance/ dpa

Elektronik für den jungen Mann, Parfüm für die mittelalte Frau: Sowohl die Deutsche Post als auch die Handelskette Real testen in ihren Filialen derzeit personalisierte Werbung über Gesichtserkennung. Dabei analysieren Kameras Gesichter und Blicke der Kunden, um ihnen auf elektronischen Werbedisplays sofort den zielgruppengerechten Film zu präsentieren. Außerdem wird die Dauer der Betrachtung kurz gespeichert.

Wenn der Kunde in der Warteschlange sich der Kasse nähert, registriert die Software das Alter und das Geschlecht der Kunden. In 100 Partner-Filialen der Post im Einzelhandel und in 40 Real-Märkten bundesweit wird die neue Technik ausprobiert. Unter anderem in Sankt Augustin. Der Kunde erfährt davon nichts. Lediglich der Hinweis „Diese Filiale ist videoüberwacht“ deutet darauf hin – aber dieser ist ja ohnehin üblich.

„Unser Ziel ist es herauszufinden, ob dieses Angebot aus Information, Unterhaltung und relevanter Werbung die Kundenzufriedenheit in unseren Partner-Filialen noch weiter steigern kann“, erläutert Post-Sprecherin Sarah Preuß. Die Post teste an den Standorten Köln, Hamburg, München und Berlin. Welche Filialen im Einzelnen dabei sind, möchte die Post nicht sagen, da es sich nicht um selbst betriebene, sondern um Filialen von Einzelhandels-Partner handele.

Der Test läuft bis Ende 2017. Dann soll ausgewertet werden, ob das Projekt fortgesetzt wird. „Die eingesetzte Technologie ist nicht in der Lage, personenbezogene Daten zu erheben“, sagt Preuß. Ebenso wenig würden Bilder oder Bewegtbilder gespeichert, sondern die Bilder werden direkt wieder verworfen. Die Technologie sei auf datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit geprüft und mit dem ePrivacy-Siegel zertifiziert worden. „Insofern entspricht der Test datenschutzrechtlich allen gesetzlichen Vorgaben“, erklärt die Post-Sprecherin.

Das Vorgehen von Real und deutscher Post, hat bei Datenschützern und Aktivisten bundesweit für Aufregung gesorgt. Der Verein Duigitalcourage will sogar Anzeige gegen die beiden Unternehmen erstatten.

Technik gehört zur Kategorie des Emotional Decoding

Davon ist die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff aber noch nicht überzeugt: „Ein einfaches Schild, das Kunden auf die Aufnahmen hinweist, genügt nicht als Einwilligung.“ Der Einsatz von Videokameras in Supermärkten, Eventlocations oder ähnlichen Orten zur Auswertung der Aufnahmen durch eine Emotional-Decoding-Software sei für Werbezwecke ohne explizite Einwilligung in der Regel nicht zulässig. Die in den Pilotversuchen von Post und Real eingesetzte Technik gehört zur Kategorie des Emotional Decoding, also des Identifizierens von Gefühlen durch eine Maschine, denn die eingesetzte Software ist dazu grundsätzlich fähig.

Post und Real versichern, dass nur Alter und Geschlecht auswertet werden. „Ob und wie lange die Aufnahmen gespeichert werden, ändert nichts an den grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Bedenken“, so die Bundesdatenschutzbeauftragte. Ohne Einwilligung sei der Einsatz von Videokameras zum Emotional Decoding problematisch.

„Wird nur zu reinen Werbezwecken beobachtet, überwiegt das Interesse der Betroffenen, nicht unter ständiger Beobachtung zu stehen und damit ihre Persönlichkeitsrechte“, so Voßhoff. Die Videoüberwachung ist dann nicht zulässig. Auch bereits vorhandene Videokameras, die der Gefahrenabwehr dienen, können in der Regel nicht für das Emotional Decoding genutzt werden. „Das würde dem Datenschutzgrundsatz der Zweckbindung widersprechen, von dem nur unter eingeschränkten Voraussetzungen abgewichen werden darf.“

Im Einzelfall sind die Datenschutzbeauftragten aber noch in der Klärung, wie die Projekte und die eingesetzten Technik zu werten sind. Nächste Woche lässt man sich die von der Post eingesetzte Software Adpack vorführen.

Während die Post mit dem Berliner Startup IDA Indoor Advertising Gmbh zusammenarbeitet, hat Real der Firma Echion AG aus Augsburg in 40 Märkten die Möglichkeit zur Verfügung gestellt, die Blickkontakterfassung von Werbebildschirmen zu testen.

Die Übertragung sei verschlüsselt

An die Server des Betreibers Echion werden Anzahl der Betrachter, geschätztes Alter, Geschlecht, Zeitpunkt der Betrachtung und die Betrachtungsdauer übermittelt, erläutert Real-Sprecherin Ilka-Nadine Mielke. Die Übertragung sei verschlüsselt.

„Die aufgenommenen Bilder werden rein automatisch ausgewertet und dann sofort wieder verworfen“, so Mielke. Die Bilder seien nur für 150 Millisekunden im Speicher. Es würden lediglich Metadaten übertragen. „Das Recht am eigenen Bild wird daher nicht berührt“, meint die Real-Sprecherin. Die Erkennung der Personen erfolge komplett anonym. Das System erkennt lediglich beispielsweise einen Mann von etwa 45 Jahren. „Das System weiß jedoch zu keinem Zeitpunkt, wer diese Person ist“, so Mielke. Die Daten seien keiner Person zuzuordnen.

Die derzeitige Debatte gibt nur einen Vorgeschmack auf die neuen technische Möglichkeiten in der Werbung. Grundsätzlich lässt sich auch die ethnische Herkunft, der Kleidungsstil und das Gefühlsleben der Kundschaft auslesen. Die Wirtschaft zeigt sich höchst interessiert. Auch Forscher sind inspiriert. Das Seelenleben der Kundschaft ist bald öffentlich.

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