Hi-Fi-Experte in der Altstadt Der Röhrenguru von Bonn

BONN · Adolfstraße 20. Mitten in der Bonner Altstadt. Ein typisches Reihenhaus wohl aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Zum "Röhrenguru von Bonn", wie eine Hi-Fi-Fachzeitschrift titelte, geht es über den Hof.

 Rainer Röder konstruiert seit einem Vierteljahrhundert Röhrenverstärker für Stereoanlagen.

Rainer Röder konstruiert seit einem Vierteljahrhundert Röhrenverstärker für Stereoanlagen.

Foto: Barbara Frommann

"Tubeaudio Professional" steht an der Klingel. Im Hinterhaus konstruiert Rainer Röder seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert Röhrenverstärker für Stereoanlagen der Luxusklasse. Und findet dafür weltweit Kunden. "Die Chips in den 70er Jahren, das war der Tod der Musik", sagt Röder, während er Kabel aus zwei riesigen Boxen umstöpselt, "jetzt hören Sie mal das." Hier im Dachgeschoss liegt sein Vorführraum, der gleichzeitig als Tonstudio dient. Da stehen Plattenspieler, die einst Tausende D-Mark gekostet kostet haben, koffergroße uralte Tonbandmaschinen und Verstärker, aus denen Glaskolben wie Skulpturen oben herausragen: Röhren.

Elektronenröhren zur Verstärkung elektrischer Signale, wie sie zum Beispiel aus einem Plattenspieler kommen. Erfunden wurde die Technik Anfang des 20. Jahrhunderts weltweit von verschiedenen Physikern, patentiert zuerst 1904 von dem Engländer John A. Fleming. Heute sind sie ein Nischenprodukt, das sich nur noch in Gitarrenverstärkern findet und in Hi-Fi-Anlagen der Spitzenklasse. Der Transistor, 1925 von Julius Edgar Lilienfeld zum Patent angemeldet, setzte sich bald als massentauglichere Technik gegen die Röhren durch.

Doch eine kleine zahlungskräftige Schicht von Musikliebhabern schwört bis heute auf die Vakuum-Glaskolben. "Jede Röhre klingt anders", behauptet Röder, der Fabrikate aus mehreren Ländern im Programm hat. Die Kunden kommen aus Deutschland, aus Europa, ja sogar aus Kuba. "Es gibt weltweit nur wenige, die die Röhrentechnik beherrschen", sagt Röder. Da schickt er dann schon einmal einen Verstärker zu einem Kunden nach Zürich, der diesen dort gegen ein Konkurrenzmodell aus Japan testen möchte. "Es gibt Kunden, die haben Stereoanlagen für mehr als 300.000 Euro zu Hause stehen."

So teuer muss der Hörgenuss nicht sein. "Wir bauen Röhrenverstärker ab etwa 2000 Euro", zeigt Röder seine Preisliste und wirbt: "Alles Handarbeit." Die Kunst sei es, die Komponenten richtig aufeinander abzustimmen. "Das ist reine Mathematik, die meiste Zeit bin ich eigentlich nur am Rechnen." Röder selbst kam aber nicht etwa über ein Mathestudium zu den Verstärkern. "Ich habe mich schon als Kind dafür interessiert."

Er selbst spielt Klavier und arbeitete jahrelang als Tontechniker in professionellen Studios in Köln und im Bergischen Land. "Guru Guru, Roxy Music mit Brian Eno, das waren Zeiten. Irgendwann wurde mir der Stress zu viel und ich kam auf den Gedanken, mich selbstständig zu machen", erzählt er rückblickend. Seine kleine Firma - im Service beschäftigt er noch einen Mitarbeiter, die Fertigung der Gerätegehäuse vergibt er an andere Unternehmen - steht bis heute auf zwei Beinen: Den Röhrenverstärkern und dem Tonstudio. An einer Wand hängen CDs, die in der Bonner Adolfstraße aufgenommen oder bearbeitet wurden.

"Mein Ziel ist es, hier die musikalischste Röhrentechnik der Welt zu bauen", sagt Röder und legt eine alte Aufnahme von Emerson, Lake & Palmer auf den Plattenteller. Und schon beginnen die Röhren zu glühen.

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