Brüssel mischt bei der Schoko-Herstellung mit

Das Beueler Familienunternehmen Kessko produziert seit 99 Jahren Vorprodukte für die Süßwarenbranche

  Kostprobe:  Schokoladenmeister Manfred Küpper prüft in Beuel bei Kessko die flüssige süße Masse.

Kostprobe: Schokoladenmeister Manfred Küpper prüft in Beuel bei Kessko die flüssige süße Masse.

Foto: Lannert

Beuel. Wie das Antriebsrad eines Mississippidampfers walzt sich die Edelstahlwelle mit ihren Verstrebungen unermüdlich durch die zähe dunkle Masse. Die so genannten Conchen sind das Herzstück der Schokoladenproduktion der Kessler & Comp. GmbH & Co. KG, kurz Kessko, in Beuel.

In den Spezialbehältern werden fein geriebene Kakaobohnen, die zuvor mit Kakaobutter und Zucker angereichert wurden, unter Hitze einen Tag lang conchiert. Das Thermometer zeigt 80 Grad. "Alles in Ordnung", sagt Manfred Küpper, Schokoladenmeister der Kuvertürenabteilung.

Doch wenn das mittelständische Unternehmen Kessko Schokolade, Marzipan oder Eispulver mischt, mischt auch Brüssel tüchtig mit - obwohl die Waren nicht direkt beim Verbraucher auf dem Teller landen. Denn Kessko stellt ausschließlich Produkte her, die von Bäckereien, Konditoreien, Eisdielen und von der Süßwarenindustrie weiterverarbeitet werden.

Seit die EU einheitliche Richtlinien für die Produktion von Lebensmitteln aufstellt, muss Kessko verstärkt darauf achten, wo die Ware herkommt, wie sie verarbeitet und schließlich verpackt wird. Das kann bei mehr als 1 000 Produkten, von Aromen über Fettglasuren bis Nougat, und einem Jahresaustoß von rund 10 000 Tonnen ganz schön mühsam sein.

Eine gravierende Umstellung stand dem Betrieb mit knapp 300 Mitarbeitern in den 90er-Jahren ins Haus. Eine EU-Richtlinie zur Lebensmittelhygiene verlangte die stärkere Überwachung der Produktion sowie die sorgfältige Dokumentation. Für das Unternehmen bedeutete dies vor allem mehr Papierkram.

Einen Wust von Bürokratie brachte dem Mittelständler auch die EU-Kennzeichnungsrichtlinie aus dem vorherigen Jahr. Sämtliche Zutaten, die möglicherweise Allergene wie Weizen, Nüsse oder Soja enthalten, müssen penibel aufgelistet werden. So muss Stärke aus Weizen als Weizenstärke ausgewiesen sein. "Aber dass dies sogar für Glucosesirup gilt, der zwar aus Weizen gewonnen wird, jedoch keine Weizenallergene enthält, ist lediglich Bürokratie", sagt Qualitätsmanagerin Karin Müller.

Während Müller mit dem Papierkram hantiert, ist die braune Masse via Fließband in der Abfüllanlage angekommen. Gerbsäuren, die beim Erhitzen der Kakaomasse frei werden, verströmen einen durchdringenden herb-süßlichen Schokoladengeruch, der noch Stunden an den Kleidern klebt. Der Kakaobrei wird in rechteckige Formen gegossen, gekühlt und mit Plastikfolie verpackt.

Bevor die 2,5 Kilo schweren Schokoladenblöcke in Kartons verschwinden, passieren sie wie Gepäck am Flughafen noch ein Metallsuchgerät, das zur stärkeren Überwachung der Produktion zusätzlich angeschafft wurde. Kostenpunkt 15 000 Euro. "Sicher ist sicher, es kann sich immer mal ein Schräubchen in den Conchen lösen", erklärt Müller.

Auf den Etiketten der Kartons steht "Schokoladenkuvertüre", die korrekte Verkehrsbezeichnung. Der Name rührt von der Verordnung über Kakao- und Schokoladenerzeugnisse her, mit der das Verbraucherschutzministerium des Bundes im vergangenen Jahr eine Richtlinie des Europäischen Parlaments umsetzte.

Dass seit vier Jahren EU-weit zur Herstellung von Schokolade neben Kakaobutter fünf Prozent billigere Ersatzfette verwendet werden dürfen, spielt bei Kessko, dessen Jahresumsatz sich im zweistelligen Millionenbereich bewegt, keine Rolle. Tropische Fette wie Palmöl oder Borneotalg kommen Schokoladenmeister Küpper nicht in die Conche.

Und dass die Kuvertüre nicht mehr Kuvertüre, sondern Schokoladenkuvertüre heißt, kommentiert er schulterzuckend. "Das ändert ja an der Qualität der Produkte nichts. Wenn die süße Masse später einen Kuchen umhüllt, zählt doch nur das eine: Der pure Genuss."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort