Bonner Bundesinstitut für Berufsbildung: Berufswahl ist Imagefrage

Jugendliche lassen sich von modernen Titeln beeindrucken - zum Leidwesen vieler Ausbilder

Bonn. Top oder Flop: Allein die Berufsbezeichnung entscheidet darüber, ob sich Jugendliche bei der Berufswahl mit den tatsächlichen Inhalten im Arbeitsalltag befassen oder gleich abwinken.

Einige Berufsgruppen haben es nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) mit Sitz in Bonn besonders schwer, Nachwuchskräfte zu finden: traditionell Fleischer und Bäcker, aber auch Gebäudereiniger oder die Schutz- und Sicherheitsbranche.

BIBB-Psychologin Verena Eberhard hat mit ihren Kollegen Jugendliche befragt und dabei festgestellt: Selbst wenn die Arbeitsinhalte fiktiv identisch sind, kommt die "Gestalterin für visuelles Marketing" bei den Teilnehmern deutlich besser an als die "Schauwerbegestalterin" - die ganz früher "Schaufensterdekorateurin" hieß, und zwar bezüglich der "prestigerelevanten Dimensionen" wie etwa Reichtum, Bildung, Intelligenz und Ehrgeiz.

Meinung Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Besser verkaufen"Auf die Verpackung kommt es an: "Bisweilen gelingt eine Imageverbesserung allein über die Veränderung der Berufsbezeichnung", haben die BIBB-Experten festgestellt.

Informationselektroniker klingt besser als Radio- und Fernsehtechniker, Medienkaufmann Digital und Print besser als Verlagskaufmann - nach der Umbenennung stiegen laut BIBB die Bewerberzahlen.

Allein rund 350 duale Ausbildungsberufe stehen zur Wahl. "Dabei ist eine für Jugendliche attraktive Berufsbezeichnung nur Voraussetzung dafür, sich überhaupt mit den tatsächlichen Arbeitsinhalten zu beschäftigen", sagt Verena Eberhard.

Beispiel Gebäudereiniger: "Viele denken dabei: Die putzen und haben nichts gelernt. Dabei wird dieser Beruf komplett falsch gesehen". Nach Angaben der BIBB-Forscherin sei die Arbeit deutlich vielseitiger als ihr Image, schließlich gehe es auch um Projektmanagement.

Oder Bestatter: "Wer diesen Beruf erlernt, ist total begeistert", sagt Eberhard. Wenn Jugendliche erst einmal angebissen haben und sich über einen Beruf informieren, zählen Verdienst, Arbeitszeiten, Bildung, Ansehen in der Gesellschaft und Aufstiegsmöglichkeiten.

Im Umkehrschluss heißt dies nach Ansicht der BIBB-Experten für Berufe mit Nachwuchsmangel, an der Bezeichnung zu arbeiten, aber auch eine Modernisierung der Inhalte und Weiterqualifizierungsmöglichkeiten während und nach der Lehre voranzutreiben. Das kann unter Umständen Jahre dauern. "Am schnellsten geht es über das Gehalt", sagt Eberhard.

Nicht zuletzt mischen auch die Eltern bei der Berufswahl kräftig mit. Sie wollen, dass der soziale Stand zumindest gehalten wird. Wenn also der Sohn eines Rechtsanwalts gern Bäcker, Gebäudereiniger oder Systemgastronom werden will, muss er sich wohl auf einige Diskussionen am heimischen Esstisch gefasst machen.

Offene LehrstellenDie Agenturen für Arbeit Bonn/-Rhein-Sieg, Mayen und Neuwied melden derzeit noch mehrere hundert freie Lehrstellen unter anderem für folgende Berufe: Koch oder Köchin, Restaurantfachmann/-frau, Fachmann/-frau für Systemgastronomie, Fachverkäufer/-in Lebensmittelhandwerk (Bäckerei und Fleischerei), Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Verkäufer/-in, Medizinische Fachangestellte, Zahnmedizinische Fachangestellte, Rechtsanwaltsfachangestellte/r, Kranken- und Altenpfleger/-in.

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