Übernahme im regionalen Bäckerhandwerk Bäckerei Voigt will Schell aus Bonn übernehmen

Bonn · Die Verkaufsverhandlungen stehen kurz vor dem Abschluss. Das Swisttaler Familienunternehmen betreibt schon jetzt 48 Filialen im Bonn-Kölner Raum. Mit der Übernahme von Schell würde sich die Bäckerei um sechs Filialen vergrößern.

Zwei Traditionsunternehmen kommen unter ein Dach: Die Swisttaler Bäckerei Voigt will die Bonner Bäckerei Schell übernehmen. Wie der General-Anzeiger erfuhr, stehen die Verkaufsverhandlungen kurz vor dem Abschluss. Eine offizielle Stellungnahme war von Voigt am Donnerstag dazu nicht zu erhalten.

Mit 645 Mitarbeitern und 48 Filialen im Bonn-Kölner Raum gehört Voigt auch branchenübergreifend zu den großen regionalen Arbeitgebern. Mit der Übernahme von Schell würde sich die Bäckerei um sechs Filialen und rund 50 Mitarbeiter erhöhen. Voigt hat sich bisher erfolgreich gegen die wachsende Konkurrenz der Industrie und des Einzelhandels durchgesetzt. „Viele Bäckereien sind schon in Insolvenz gegangen“, berichtet Bernd Rott, Obermeister der Bäckerinnung Bonn/Rhein-Sieg. Laut Rott gibt es in der Region noch rund 60 Bäckereien, die in der Innung organisiert sind, sie machten etwa 90 Prozent der ansässigen Bäckerbetriebe aus. Nach seiner Erfahrung fallen mit einer Insolvenz aber nicht die Standorte weg, sondern die Inhaber.

Wie bei der Bäckerei Rott beginnt die Geschichte des Familienunternehmens Voigt im vorletzten Jahrhundert: 1893 befanden sich der Bäckergeselle Theodor und seine frisch angetraute Frau Theresa Voigt auf ihrer Hochzeitsreise, als sie den damaligen Pfarrer von Merten, Gottfried Köllen, trafen. Dieser erzählte ihnen, dass in der Nähe des Pfarrhauses eine Bäckerei leerstehe. Ein Jahr später eröffnete das Paar an der Martinstraße die Bäckerei Voigt.

Schell gibt es seit 1927 in Bonn

Friedrich, der Urgroßvater des heutigen Geschäftsführers Theo Voigt, erbte 1928 die Bäckerei. In den 1970er Jahren begann die Expansion des kleinen Betriebes. Zwischen 1973 und 1993 entstanden in Bornheim, Weilerswist, Euskirchen und Buschhoven acht Filialen, heute sind es bald ein halbes hundert.

Zahlen zum Gewinn hält die Familie geheim. Da die Backstube in Merten trotz verschiedener Erweiterungen für die tägliche Produktion zu eng wurde, entschlossen sich 1994 die Brüder Theo und Andreas, die 1989 in das Geschäft ihrer Eltern eingestiegen waren, die Produktion nach Heimerzheim in einen Neubau zu verlegen. Im täglichen Geschäft teilen sich der gelernte Bäckermeister Andreas Voigt und sein Bruder Theo (Konditormeister) die unternehmerische Führung. Mittlerweile ist mit Martin Voigt bereits die fünfte Generation in geschäftsführender Verantwortung.

Die Bäckerei Schell besteht seit 1927 in Bonn und wird mittlerweile in vierter Generation von der Familie geführt. Hans und Christine hatten den Grundstein gelegt, Hans und Brigitte Schell führten das Unternehmen von 1960 bis 1996. Dann übernahmen die Söhne Thomas und Frank Schell die Geschäftsführung. Neue Filialen wie die in Graurheindorf, Endenich und an der Römerstraße kamen dazu. Seit 2007 steht mit Pia und Niclas Schell die nächste Generation in der Backstube.

Bäckereien stehen unter Druck

Das Bäckerhandwerk steht gleich von mehreren Seiten unter Druck. Auch wegen der Arbeitszeiten in der Nacht und in den frühen Morgenstunden leidet die Branche unter Nachwuchsmangel. Die Konkurrenz kommt nicht aus den eigenen Reihen, sondern von den Backshops und den Discountertheken, in denen sich die Kunden die Backwaren selbst aus Behältern zusammenstellen: Mit ihren Preisen – das Brötchen kostet oftmals nur 14 Cent –, können die meist familiengeführten Handwerksbetriebe nicht mithalten.

Die Folge: Die Zahl der Bäckereien geht seit vielen Jahren zurück. 2017 gab es nach Branchenangaben noch 11 347 Backstuben – 390 weniger als im Jahr davor. Im Jahr 2000 waren es noch nahezu doppelt so viele. Doch die Geschäfte mit Brot und Brötchen laufen nicht schlecht: Der Branchenumsatz legte im vergangenen Jahr bundesweit um 1,3 Prozent auf rund 14,5 Milliarden Euro zu.

Ebenfalls ein Lichtblick: Es gibt wieder mehr Bäckerlehrlinge, 6250 waren es 2017 – ein Plus von 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Schwierig bleibt allerdings die Suche nach geeignetem Personal für die Verkaufstheke: 2017 traten nur noch knapp 10 900 Auszubildende eine Lehre als Bäckereifachverkäuferin oder -verkäufer an – fast sechs Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Bei Voigt machen derzeit 35 junge Leute eine Ausbildung. Das Unternehmen jedenfalls ist auf Expansion angelegt. Das sieht man schon am Baugeschehen in der Zentrale in Heimerzheim, wo ein weiterer Anbau entsteht. Ab nächstem Sommer stehen dann für Produktion, Lagerung und Versand weitere 2800 Quadratmeter zur Verfügung.

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