Arbeitsmarkt in Bonn 74 Bewerber für eine Putzstelle

Bonn · Für geringqualifizierte Arbeitnehmer gibt es in Bonn nur wenige Möglichkeiten. Die Heimat von Telekom und Post verfügt über einen der hochwertigsten Stellenmärkte in Deutschland. Da aber die meisten Langzeitarbeitslosen keine Ausbildung vorweisen können, finden sie keinen Job. Die Arbeitslosigkeit ist daher höher als im Rhein-Sieg-Kreis.

 Für eine Putzstelle in Bonn gibt es im Schnitt 74 Bewerber

Für eine Putzstelle in Bonn gibt es im Schnitt 74 Bewerber

Foto: picture alliance / dpa

Das Phänomen wirkt auf den ersten Blick irritierend: Auf der einen Seite prägen große Unternehmen, Behörden und Universitäten das Bonner Stadtbild. Auf der anderen Seite steigt die Arbeitslosigkeit in der Bundesstadt weiter an, während sie bundesweit betrachtet stetig zurückgeht. Dazu kommt: Die Arbeitslosenquote in Bonn ist im Vergleich mit Orten aus dem Rhein-Sieg-Kreis fast immer Spitzenreiter.

Die Erklärung für dieses Phänomen ist jedoch so einfach wie logisch: Die meisten Arbeitslosen, die hier einen Job suchen, finden keinen. Denn: „Bonn ist die Stadt in den alten Bundesländern mit dem hochwertigsten Arbeits- und Stellenmarkt“, erklärt Markus Waschinski, Sprecher des Bonner Jobcenters auf Anfrage des General-Anzeigers.

"38 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse erfordern einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss.“ Akademiker haben also sehr gute Jobchancen – sei es in der Wissenschaft, Forschung oder Verwaltung. Die meisten Arbeitslosen sind allerdings Ungelernte ohne besondere Ausbildung. Der Markt für diese Zielgruppe ist jedoch sehr klein. Auf eine Helferstelle kommen laut Jobcenter Bonn im Durchschnitt 22 Arbeitslose. Je nach Branche sind die Aussichten noch wesentlich schlechter: Für eine Putzstelle gibt es im Schnitt 74 Bewerber, für eine Stelle im Verkauf sogar 152.

Wirtschaftlich und sozial vergleichbare Städte in Deutschland bieten Hilfskräften deutlich bessere Chancen: So kommen in Frankfurt im Durchschnitt 13,8 Arbeitslose auf eine Helferstelle. In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz sind es sogar nur 10,6 Arbeitssuchende für eine Stelle. Wie in Bonn sind auch in Frankfurt und in Mainz Wohnungen teuer und der Migrantenanteil vergleichbar hoch. Der Arbeitsmarkt in allen drei Städten ist durch Großbetriebe und gleichzeitig einen schwach ausgeprägten Niedriglohnsektor gekennzeichnet.

Bonn fehle vor allem das produzierende Gewerbe, das viele Stellen für niedrigqualifizierte Kräfte zur Verfügung stellt, erklärt Waschinski. In Bonn ist vor allem der Dienstleistungssektor stark ausgeprägt. Trotz der insgesamt wirtschaftlich guten Lage fällt der Zuwachs an Helferstellen in Bonn daher eher gering aus. „Nur zehn Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Bonn arbeiten als Helfer“, so Waschinski. Im Rhein-Sieg-Kreis dagegen sind es fast fünf Mal so viele.

Ein anderer Grund, warum die Arbeitslosenzahlen in Bonn im Gegensatz zu kleineren Orten in der Region steigen: „Die Stadt wächst insgesamt und damit nimmt auch die Zahl unserer Kunden zu“, so der Sprecher des Jobcenters. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, die das Jobcenter betreut, lag im Jahr 2012 noch bei 12 687, 2015 waren es bereits mehr als 14 300.

Im vergangenen Jahr bewegte sich die Arbeitslosenquote in Bonn zwischen 7,2 und 7,5 Prozent. Im Dezember lag die Quote in Siegburg bei 5,7 Prozent, im Kreis Ahrweiler sogar nur bei 4,1 Prozent.

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