GA-Serie "Tatort Internet" „Angriffe passieren jeden Tag“

Bonn · Viele kleine und mittlere Unternehmen unterschätzen die Gefahr durch Attacken im Netz. Neben ganz neuen Formen der Kriminalität, würden immer mehr herkömmliche Straftaten schlicht ins Netz verlagert.

 Angreifer können ganze Netzwerke in Unternehmen lahmlegen.

Angreifer können ganze Netzwerke in Unternehmen lahmlegen.

Foto: picture alliance / dpa

Die Attacken tragen martialische Namen: Beim „Brute-Force-Angriff“ versucht der Hacker Passwörter und Codes zu knacken, indem er mit „roher Gewalt“ möglichst viele Zahlen- und Buchstabenkombinationen ausprobiert. Der „Browser Hijacker“ kidnappt dagegen über ein Programm den Browser und leitet den ahnungslosen Nutzer zu unerwünschten Seiten weiter. „Exploit“ beutet Sicherheitslücken aus, indem der Kriminelle zum Beispiel durch das Versenden zahlloser Anfragen den gesamten Server lahmlegt.

Ein bevorzugtes Ziel dieser Netz-Angriffe sind kleine und mittlere Unternehmen. Laut einer Expertenumfrage des Verbands der Deutschen Internetwirtschaft aus dem vergangenen Jahr hat sich die Bedrohung deutlich gesteigert. Allein durch Wirtschaftsspionage im Netz sollen Schäden in Milliardenhöhe entstehen. Jede dritte Attacke richtet sich nach Einschätzung des Softwareherstellers Symantec an Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern.

„Die Gefahren werden von mittelständischen Unternehmen oft noch falsch eingeschätzt“, sagt Arne Schönbohm, Präsident des Bonner Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die zunehmende Vernetzung etwa von Produktionsmaschinen sei ein „Einfallstor für Verbrecher“. Neben ganz neuen Formen der Kriminalität, würden immer mehr herkömmliche Straftaten schlicht ins Netz verlagert: „Schutzgeld wird dann nicht mehr vor Ort eingefordert, sondern indem der Täter droht, den Onlineshop über einen Virus lahmzulegen“, weiß der Experte. Spione fotografierten keine Baupläne mehr ab, sondern loggten sich direkt in die vernetze Maschine ein, um deren Konstruktionspläne zu kopieren.

Hacker haben es nach Erfahrung des BSI auch oft auf Kundendaten abgesehen, die später im Internet auf dem Schwarzmarkt verkauft werden können. „Kriminelle eignen sich über solche Daten fremde Identitäten an oder erpressen Firmen mit angeblichen Verstößen gegen Datenschutzrichtlinien“, so Schönbohm.

„Angriffe passieren jeden Tag“, sagt Heiko Oberlies, IT-Experte der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg. Allerdings gingen nur wenige Unternehmen, die Opfer geworden sind, an die Öffentlichkeit. Die Firmen sorgten sich um ihr Image und fürchteten Nachahmer-Taten. Seit vergangenem Jahr müssen laut IT-Sicherheitsgesetz allerdings Betreiber von sogenannten kritischen Infrastrukturen wie Energieversorger, Banken und Flughäfen Hackerangriffe staatlichen Stellen melden.

Laut Oberlies bedrohen die Gefahren im Netz alle Branchen, aber gerade Maschinenbauer mit erfolgreichen eigenen Entwicklungen seien beliebte Opfer für Online-Spionage. „Wir haben in Deutschland viele mittelständische Technologieführer, die Zielscheibe für Plagiatoren sind“, sagt Oberlies. Sorgen bereitet ihm der Trend zum mobilen Internet über Tablets und Smartphones, das dem Hacker neue Angriffsmöglichkeiten auf Firmen biete. „Die Methoden werden immer perfider“, so der Fachmann. Angriffe erfolgten zum Teil nicht mehr auf das eigentliche Unternehmen, sondern über damit vernetzte Geschäftspartner, deren Zugänge vielleicht weniger gut gesichert seien.

Immer mehr Mittelständler in der Region seien am Thema IT-Sicherheit stark interessiert, so Oberlies von der IHK. Die Firmen geben nach seiner Erfahrung zwischen zehn und 15 Prozent ihres IT-Budgets für die Absicherung ihrer Netze aus. Die IHK biete zu dem Thema verschiedene Informationsveranstaltungen an, unter anderem die „Cybersicherheitstage“ im kommenden Oktober. Auch das Bonner BSI will im Mittelstand ein Umdenken befördern: „Früher kümmerte sich ein IT-Fachmann in Unternehmen um die Computer, heute ist das ein Thema für Vorstand oder Geschäftsführung“, sagt Schönbohm.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort