Besuch in Duisburger Betriebszentrale Wie die Deutsche Bahn Streiktage managt

DUISBURG · Zwei kleine Mausklicks sind es, mit denen Juliane Graumüller das Signal gibt. Die Fahrdienstleiterin in der Betriebszentrale der Deutschen Bahn in Duisburg steuert aus knapp 70 Kilometern Entfernung Weichen und Signale des Bahnhofs Köln-Deutz.

 Stellt Weichen für die Bahn in NRW: Juliane Graumüller in der Betriebszentrale in Duisburg.

Stellt Weichen für die Bahn in NRW: Juliane Graumüller in der Betriebszentrale in Duisburg.

Foto: Jedicke

Hebeln und kurbeln muss in Deutz niemand mehr. Gefordert ist Graumüller vor allem dann, wenn es Unregelmäßigkeiten im Fahrplan gibt: Streikzeit ist Stresszeit in Duisburg. Auf acht verschiedenen Monitoren beobachtet Graumüller die Situation am Bahnhof. Weiße Linien markieren die Gleise. Rot zeigt, dass ein Zug im Bahnhof steht, und grün, wenn die Strecke für den Lokomotivführer freigegeben ist.

Mehr als zehn Bahnhöfe in Nordrhein-Westfalen werden von Duisburg aus gesteuert - darunter der Aachener Hauptbahnhof, die Bahnhöfe in Köln-Ehrenfeld, Troisdorf, Horrem, Leverkusen-Opladen und Solingen. Bundesweit betreibt die Bahn sieben solcher Betriebszentralen.

Von denen aus wird der Schienenverkehr in Deutschland dirigiert, mit den Lokführern kommuniziert und mit Umleitungen auf Verspätungen und Störungen reagiert. Die meisten deutschen Bahnhöfe werden allerdings noch direkt am Ort gesteuert: "Ein Kölner Hauptbahnhof ist zu komplex. Da macht es Sinn, die Weichen auch von Köln aus zu stellen", sagt Stefan Panske, Leiter der DB Netz in Nordrhein-Westfalen.

Ohne Streik verkehren auf dem Streckennetz in Nordrhein-Westfalen pro Tag rund 8800 Züge - das ist der Spitzenwert in Deutschland. In den roten Zügen, also den Regional- und S-Bahnen, werden täglich eine Million Fahrgäste befördert. Den Fahrgästen auch im Streikfall ein verlässliches Angebot zu bieten, sei eine große Herausforderung, so Panske. Warnstreiks seien wie eine große Betriebsstörung. Doch man versucht sich vorzubereiten: Fertige Notfallfahrpläne liegen bei der Bahn in den Schubladen: Die gibt es für Unwetterszenarien, aber auch für Streiks.

Dass in diesem Jahr Arbeitsniederlegungen der Lokführer anstehen, habe sich frühzeitig angedeutet, sagt Mirko Frommhold, Leiter der Transportleitung bei DB Regio in NRW. Bereits im Spätsommer habe man daher begonnen, sich darauf einzustellen. Im Streikfall einsatzbereit sind die beamteten Lokführer. "Damit konnten wir rechnen und sehen, welche Strecken zu stemmen sind und welche nicht", sagt Frommhold.

Wo können die Lokführer eingesetzt werden und welche Linie fährt in welchem Takt - das haben sich Frommhold und seine Kollegen frühzeitig überlegen können. Nicht streikende Lokführer wurden kurzfristig in den Fahrplan eingebaut. In Ballungszentren konnten solche Linien ausgedünnt werden, die von regionalen Nahverkehrsunternehmen bedient werden.

Züge ins Umland würden statt im 20-Minuten-Takt im Stundentakt gefahren. Weitaus schwerer als der Übergang in den Notfallfahrplan sei die Rückumstellung, so Frommhold. Steht ein Notfahrplan, sei es kaum möglich, ihn zurückzufahren und das volle Angebot zu fahren. Denn Züge und Zugführer sind nicht sofort an den richtigen Orten.

Mit der Lokführergewerkschaft GDL habe die Bahn sich geeinigt, dass es keine stehenden Züge auf freier Strecke geben darf. "Immerhin", sagt DB-Netz-Chef Panske. "Das führt allerdings häufig dazu, dass die Bahnhöfe durch Züge blockiert sind." Dann müsse wie bei einer Störung schnell überlegt werden, welche Züge noch umgeleitet werden könnten.

Ein Drittel der Störungen bei der Deutschen Bahn kommt durch äußere Einflüsse wie umgestürzte Bäume oder Bombenentschärfungen zustande. Der Rest sind Weichen- oder Signalstörungen oder Störungen am Zug. Dann - wie auch im Streikfall - ist in der Duisburger Betriebszentrale schnelles Handeln gefragt: "Ein Zug mit Kohle kann mal zwei Stunden stehen, ein Zug mit Reisenden nicht", sagt Panske.

Weniger Personal sitzt bei Streiktagen jedenfalls nicht in der Betriebszentrale. Im Gegenteil: Solche Ausnahmesituationen erfordern von Fahrdienstleiterin Juliane Graumüller und ihren Kollegen bei jedem kleinen Mausklick vor allem Kommunikation. "Wir haben aus jedem Streiktag mehr gelernt", sagt sie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort