VW-Abgas-Krise: Winterkorn steht vor Komplettrückzug

Wolfsburg/Stuttgart · Volkswagens Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn steht nach übereinstimmenden Medienberichten auch vor dem Rückzug von seinen übrigen Ämtern in dem Autokonzern. Der Abgas-Skandal weitet sich inzwischen auch auf den Markt in China aus.

 Volkswagens Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn. Foto: Friso Gentsch

Volkswagens Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn. Foto: Friso Gentsch

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Der 68-Jährige Winterkorn hatte die Unternehmensspitze im Strudel des Abgasskandals verlassen, ist aber bisher nicht von weiteren Chef-Funktionen abgerückt. Dazu zählen der Vorstandsvorsitz beim Volkswagen-Ankeraktionär Porsche SE sowie die Chefposten in den Aufsichtsräten der VW-Konzerntochter Audi und bei der jungen Nutzfahrzeugholding mit den Marken Scania und MAN.

In der globalen Affäre um manipulierte Abgaswerte rissen derweil auch am Montag die Negativschlagzeilen nicht ab. Europas größter Autobauer kündigte für seinen wichtigsten Markt China eine Rückrufaktion an, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau. Am Dienstag wird der Skandal auch den Niedersächsischen Landtag beschäftigen, wenn VW-Aufsichtsrat und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) das Parlament über aktuelle Entwicklungen bei VW unterrichtet.

Bei den verbleibenden Winterkorn-Ämtern dringen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sowohl Niedersachsen als VW-Großaktionär als auch die Vertreter auf der mächtigen Arbeitnehmerseite auf eine endgültige Trennung. Winterkorn selbst hatte bei seinem Rücktritt am 23. September lediglich erklärt, er habe den Aufsichtsrat gebeten, "eine Vereinbarung zur Beendigung meiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns zu treffen". Der Vertrag lief ursprünglich bis Ende 2016. Seine übrigen Posten blieben in der Erklärung unerwähnt.

Nach Informationen von "Süddeutscher Zeitung", "NDR" und "WDR" will Winterkorn nun einlenken und unter anderem seinen Chefsessel bei der Porsche SE räumen. Ein Sprecher der Holding sagte am Montag: "Uns liegen keinerlei Erkenntnisse vor, dass eine Entscheidung gefallen ist." Der nächste Termin für eine Aufsitzratssitzung sei erst für den Dezember anberaumt. Eine Tagung des Gremiums wäre jedoch auch nicht nötig, falls Winterkorn selber seinen Rücktritt erklärt.

VW hatte eingeräumt, die Abgas-Manipulations-Software in weltweit elf Millionen Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189 eingebaut zu haben. Unklar ist, in wie vielen Autos die Software tatsächlich arbeitet.

Winterkorn hatte erklärt, er sei sich "keines Fehlverhaltens bewusst" und "fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen Konzern möglich waren". Wie viele Mitarbeiter und Manager von den Manipulationen wussten, ist ungewiss und wird noch untersucht.

Sollten Winterkorn Verfehlungen nachgewiesen werden, könnte ihn der Aufsichtsrat laut Aktiengesetz entlassen. Andernfalls müsste er sich freiwillig zurückziehen. Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, für den Komplettrückzug "müssten noch einige Formalien geklärt werden".

In China, wo der VW-Konzern rund ein Drittel aller Fahrzeuge weltweit absetzt, ist die Diesel-Technologie kaum vertreten. Daher müssen mit dem am Montag bekanntgegebenen Rückruf auch nur 1946 VW-Tiguan und 4 VW-Passat in die Werkstätten. Sie waren alle importiert worden.

Chinas Aufsichtsbehörden zeigten sich aber "sehr besorgt" über den Abgas-Skandal. Während der Wolfsburger Konzern eine förmliche Entschuldigung aussprach, teilte die staatliche Qualitätsaufsicht in Peking mit, sich weitere Schritte je nach Entwicklung vorzubehalten.

Im VW-Land Niedersachsen geht derweil weiter die Sorge um, dass die finanziellen Belastungen der Affäre den Landeshaushalt treffen. Das Land als VW-Großaktionär könnte nächstes Frühjahr unter einer noch unklaren Dividendenauszahlung für das laufende Jahr leiden. Wegen drohender Milliardenstrafen und Prozesskosten zeichnet sich ab, dass die Dividendenauszahlung für dieses Jahr winzig ausfällt - oder womöglich sogar ganz ausfällt.

Auch die Kreditwürdigkeit des Autobauers gerät nun unter Druck. Die US-Ratingagentur Standard & Poor's senkte am Montag die entsprechende Bewertung um eine Stufe auf "A-". Zudem drohte das Institut den Wolfsburgern mit weiteren Verschlechterungen.

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