Jeder vierten Karstadt-Filiale droht das Aus

Essen · Bei der angeschlagenen Warenhauskette Karstadt könnte im Zuge der Sanierung etwa jeder vierten Filiale das Aus drohen.

Gut eine Woche nach dem überraschenden Rückzug der Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt hat Aufsichtsratschef Stephan Fanderl die 17 000 Beschäftigten nun auf tiefe Einschnitte eingestimmt.

Es gebe zwar noch keine konkreten Schließungsbeschlüsse, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ"/Dienstag). "Aber das Unternehmen macht sich seit einiger Zeit berechtigte Sorgen um die Profitabilität von mehr als 20 Häusern." Nach dem Verkauf der Luxus- und Sporthäuser betreibt die Warenhauskette noch bundesweit 83 Karstadt-Häuser. Das Unternehmen war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

"Es wird schmerzhafte Einschnitte geben müssen, um dem gesunden Kern eine Zukunft zu geben", betonte Fanderl in einem Gespräch mit der "FAZ". Mit Einschnitten sei auch in der Essener Hauptverwaltung und in der Logistik zu rechnen.

"Es ist klar, dass Karstadt in der derzeitigen Situation alles auf den Prüfstand stellen muss", sagte Fanderl. "Die Kraft der Karstadt-Filialen, zu hohe Zentral- und Logistikkosten zu tragen, ist genauso begrenzt wie die Fähigkeit, auf Dauer eine zu große Zahl unprofitabler Standort zu betreiben."

Das Management arbeite mit Hochdruck daran, dem Aufsichtsrat und den Arbeitnehmergremien "zeitnah" ein umfassendes und belastbares Sanierungskonzept vorzuschlagen. Mit allen Vertragspartnern des angeschlagenen Warenhausunternehmens sollen Gespräche geführt werden.

Mit dem Warenkreditversicherer des Unternehmens sei eine Verlängerung des Vertrages um ein Jahr erreicht worden. Damit ist das für das Unternehmen besonders wichtige Weihnachtsgeschäft gesichert. Karstadt habe auch genug Liquidität und sei handlungsfähig, versicherte Fanderl. Das Unternehmen verdiene aber "über die Ladenkasse noch immer kein Geld".

Hoffnungen auf Unterstützung können sich die Beschäftigten offenbar nicht machen. "Von einem rationalen Finanzinvestor finanzielle Unterstützung zu erwarten, wenn man ihm nicht zeigen kann, ob und wie sich diese rentiert, ist müßig und in der Regel erfolglos", sagte Fanderl der Zeitung.

Investor Nicolas Berggruen hatte den Karstadt-Konzern im Juni 2010 für den Symbolpreis von einem Euro übernommen. Kritiker werfen dem Eigentümer vor, dem Unternehmen die für eine Sanierung notwendige Finanzspritze bislang versagt zu haben.

Die Gewerkschaft Verdi forderte ein "tragfähiges Zukunftskonzept, das die Interessen der Beschäftigten im Fokus" hat. "Es bestätigt sich abermals, dass der Eigentümer der Warenhaus GmbH sich endlich seiner Verantwortung für Tausende von Menschen bewusst werden muss und auch seiner Verantwortung für die Vielfalt der Innenstädte und damit der Kommunen", sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

Die ehemalige Ikea-Managerin Sjöstedt, die als große Hoffnungsträgerin galt, hatte in der vergangenen Woche bereits nach weniger als fünf Monaten ihren Platz geräumt.

Sie sehe keine Basis mehr für den von ihr angestrebten Sanierungsprozess, hatte die Schwedin erklärt. Arbeitnehmervertreter zeigten sich schockiert. Verdi forderte die Eigentümer auf, ihre Pläne auf den Tisch zu legen und zu investieren.

Fanderl sagte dazu, er bedaure den Abgang Sjöstedts. Karstadt habe aber mit Miguel Müllenbach und Kai-Uwe Weitz "erfahrene Geschäftsführer", mit denen die Sanierung angegangen werden solle.

Die auf Immobiliengeschäfte spezialisierte Finanzgruppe Signa besitzt seit Herbst vergangenen Jahres 75 Prozent der Anteile an den Premium- und Sport-Warenhäusern von Karstadt - darunter das Berliner KaDeWe.

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