EU beschließt schärfere Regeln für Ratingagenturen

Brüssel · Als Lehre aus der Krise nimmt die EU Ratingagenturen an die Kandare. Künftig sollen die Bonitätsprüfer für grobe Fehlurteile haftbar sein.

 Die Europafahne vor dem Gebäude der EU-Kommission in Brüssel. Foto: Olivier Hoslet

Die Europafahne vor dem Gebäude der EU-Kommission in Brüssel. Foto: Olivier Hoslet

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Anleger und Emittenten können vor Gericht Verluste einklagen, wenn Ratingagenturen ein Unternehmen oder einen Staat absichtlich oder fahrlässig falsch beurteilen. Zudem müssen Unternehmen wie Moody's, Fitch oder Standard & Poor's, die großen Drei der Branche, ihre Urteile besser begründen und offenlegen, nach welchen Kriterien sie ihre Entscheidung gefällt haben. Auf diese Regeln einigten sich EU-Kommission, Europaparlament und EU-Staaten am Dienstagabend.

Die drei EU-Institutionen überarbeiten derzeit die geltenden Vorgaben. EU-Ministerrat und Parlament müssen den Kompromiss formal noch annehmen. Die neuen Regeln sollen im Februar oder März nächsten Jahres in Kraft treten.

Im Mittelpunkt stehen verschärfte Vorgaben für die Bekanntgabe von Bonitätsbewertungen. So dürfen die Agenturen Bewertungen von EU-Staaten nur an drei vorher festgelegten Terminen verkünden. Dies darf nur außerhalb der Geschäftszeiten sein und rechtzeitig bevor in Europa die Börsen öffnen. Auf diese Weise will die EU nervöse Reaktionen der Märkte abmildern. Zudem sollen Interessenkonflikte vermieden werden. So gibt es Grenzen für Anteile, die ein Investor an mehreren Ratingagenturen halten darf, und umgekehrt für die Beteiligung einer Agentur an einem Unternehmen, das sie bewertet.

In der Finanzkrise waren Ratingagenturen immer wieder in die Kritik geraten, weil sie Bewertungen von Euro-Krisenstaaten etwa kurz vor EU-Gipfeln veröffentlichten und damit die Politik unter Druck setzten. Der Vorwurf lautet, dass sie auf diese Weise die Krise verschärften. Der zuständige EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, der den Vorschlag erarbeitet hatte, begrüßte die Einigung und sagte, mit den neuen Regeln "reduzieren wir spürbar das Risiko einer zukünftigen Finanzkrise."

Im Laufe der Verhandlungen ist die EU allerdings weit hinter den ursprünglichen Plänen geblieben. Vom Tisch ist etwa die Forderung, den Ratingagenturen die Benotung von Euro-Krisenstaaten komplett zu untersagen, solange diese Rettungsprogramme bekommen. Auch die Vorgabe, dass Anleihe-Emittenten nach einigen Jahren die Ratingagentur wechseln müssen, ist nicht mehr enthalten. So sollen nur noch Anbieter komplizierter verbriefter Produkte alle vier Jahre den Bonitätsprüfer wechseln. Dies soll verhindern, dass sich die gewinnorientierten Ratingagenturen mit zu positiven Einstufungen das Wohlwollen ihrer Geldgeber sichern.

Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit etwa von Unternehmen oder Staaten. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Schuldenkrise: Wenn sie einen Staat deutlich herabstufen, kann dies zur Folge haben, dass er seinen Gläubigern mehr Zinsen für geliehenes Geld zahlen muss.

Der SPD und den Grünen im Europaparlament gehen die neuen Regeln nicht weit genug. "Das wird nicht reichen", sagte Udo Bullmann (SPD) am Mittwoch. Sven Giegold von den Grünen kritisierte, die Mitgliedsstaaten hätten den großen Sprung verhindert. "Zwar wird die bestehende Regulierung in einigen Punkten gestärkt, die Marktmacht der "Großen Drei" vermag er aber nicht zu brechen."

Die betroffenen Ratingagenturen meldeten dagegen Bedenken an. "Wir haben bereits unsere Sorge über potenzielle Marktkonsequenzen einiger der Vorschläge zum Ausdruck gebracht", teilte Moody's mit. Standard & Poor's und Fitch erklärten, auf den endgültigen Text zu warten und mit den Aufsehern zusammen arbeiten zu wollen.

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