Daimler gegen SWR: Urteil zu verdeckter Reportage erwartet

Stuttgart · "Hungerlohn am Fließband" heißt der Titel der Reportage, über die SWR und Daimler nun seit gut einem Jahr vor Gericht streiten. Der Konzern will mit Hilfe einer Unterlassungsklage verhindern, dass die heimlich entstandenen Aufnahmen erneut ausgestrahlt werden.

 Ein Reporter hatte getarnt als Mitarbeiter einer Logistikfirma im Mercedes-Werk Untertürkheim gedreht - mit versteckter Kamera. Foto: Franziska Kraufmann/Archiv

Ein Reporter hatte getarnt als Mitarbeiter einer Logistikfirma im Mercedes-Werk Untertürkheim gedreht - mit versteckter Kamera. Foto: Franziska Kraufmann/Archiv

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Vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart soll heute eine Entscheidung fallen.

Worum geht es in dem Fall?

Ausgangspunkt ist eine Reportage aus dem Jahr 2013 über Niedriglöhne. Dafür hatte ein Reporter des Südwestrundfunks (SWR) getarnt als Mitarbeiter einer Logistikfirma bei Daimler in einem Werk des Autobauers gedreht - mit versteckter Kamera. Ein Vorwurf in dem Bericht: Daimler soll über Werkverträge an seinen Fließbändern Menschen beschäftigen, die nicht nur deutlich weniger Gehalt bekommen als Festangestellte und ihren Lebensunterhalt sogar mit Hartz IV aufstocken müssen. Daimler nannte den Beitrag "manipulativ" und will die Ausstrahlung verhindern. Der SWR hält die Verwendung der Aufnahmen dagegen für rechtmäßig.

Wie stehen die Chancen für beide?

In erster Instanz stärkte das Landgericht Stuttgart dem Südwestrundfunk den Rücken. Der Sender dürfte den Beitrag nach dem Urteil vom Oktober im Prinzip also weiter zeigen, auch wenn das einem SWR-Sprecher zufolge derzeit nicht geplant ist. Zwar seien die Aufnahmen rechtswidrig entstanden, begründete der Vorsitzende Richter. Allerdings überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, da der Beitrag über Missstände durch Werkverträge informiere. Daimler ging dagegen in Berufung. Deshalb landete der Fall vor dem Oberlandesgericht.

Wie denkt das Oberlandesgericht?

Es gab zumindest Anzeichen dafür, dass Daimler eine weitere Niederlage drohen könnte. Der Richter am Oberlandesgericht, Matthias Haag, sagte in einer vorläufigen Einschätzung des Falls Mitte Juni, man könne das Vorgehen des Senders gerade noch für zulässig erachten. Er nahm dabei allerdings das Wort "Bauchweh" in den Mund. Ihm wäre anstelle des SWR aber nicht wohl gewesen. Das Ganze sei eine Gratwanderung.

Wie verhärtet sind die Fronten?

Der Richter hatte den beiden Parteien einen Vergleich vorgeschlagen, der vorsah, dass der Beitrag nicht mehr ausgestrahlt wird. Daimler stimmte dem zu. Der SWR hingegen stellte neue Bedingungen - unter anderem, dass der Pressechef die Aussage widerruft, der Beitrag sei manipulativ. Binnen der vorgesehenen Wochenfrist konnten sich die beiden nicht einigen.

Wie könnte es weitergehen?

Notfalls, hatte Daimler angekündigt, wolle man durch alle gerichtlichen Instanzen gehen. Entscheidend ist nun, ob das Oberlandesgericht die Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zulässt. Ist das nicht der Fall, kann der jeweils unterlegene eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH abgeben.

Was ist überhaupt das Problem mit Werkverträgen?

Mit Hilfe eines Werkvertrags kann ein Unternehmen Arbeitsaufträge an eine andere Firma vergeben. Den Lohn zahlt aber der Auftragnehmer nach seinem jeweiligen Tarifgefüge. Die Mitarbeiter werden also unter Umständen schlechter bezahlt als die fest angestellten Mitarbeiter des Auftraggebers. Der darf die Beschäftigten des Werkvertrag-Nehmers dafür nicht wie eigene Mitarbeiter behandeln. Er darf ihnen zum Beispiel keine direkten Weisungen geben. Viele Firmen sehen in Werkverträgen ein wichtiges Instrument, um Aufträge wie Malerarbeiten oder Logistikdienstleistungen zu vergeben, aber auch um flexibel auf anfallende Aufträge zu reagieren. Daimler hat inzwischen extra Standards für die Vergabe festgelegt.

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