Bundesbank-Chef plädiert für höhere Tariflöhne

Frankfurt/Main · Bundesbankchef Jens Weidmann spricht sich für höhere Tariflöhne in Deutschland aus. Nach ähnlichen Äußerungen seines Chefvolkswirts Jens Ulbrich und EZB-Vertretern bezifferte nun Weidmann in einem Interview den volkswirtschaftlich verträglichen Verteilungsspielraum auf rund 3 Prozent.

 Bundesbankpräsident Jens Weidmann auf dem Gelände der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main. Foto: Arne Dedert/Archiv

Bundesbankpräsident Jens Weidmann auf dem Gelände der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main. Foto: Arne Dedert/Archiv

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Dieser ergebe sich überschlagsmäßig aus mittelfristig knapp 2 Prozent Inflation und 1 Prozent Produktivitätswachstum, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Verschiedene Arbeitgebervertreter kritisierten die Äußerungen des Notenbankchefs.

Es gebe in einer Reihe von Branchen und Regionen praktisch Vollbeschäftigung, und es häuften sich Meldungen über Arbeitskräftemangel, sagte Weidmann. "Insofern liegt es in der Natur der Sache und ist auch zu begrüßen, dass die Arbeitsentgelte wieder stärker steigen als zu Zeiten, in denen die deutsche Wirtschaft in deutlich schlechterer Verfassung war."

Die Bundesbank mische sich mit ihren Einschätzungen nicht in die Tarifverhandlungen ein, sagte Weidmann und wies damit Kritik etwa des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall zurück. Natürlich müssten die Abschlüsse aber die jeweilige spezifische Lage der entsprechenden Branche im Blick halten. "Lohnabschlüsse, die deutlich über einen produktivitätsorientierten Anstieg hinausgingen, würden Wachstum und Beschäftigung in Deutschland schaden und dem Euroraum einen Bärendienst erweisen."

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer nannte die Ratschläge der Bundesbank zur konkreten Höhe von Lohnzuwächsen "überflüssig und wenig hilfreich". "Tarifpolitik ist kein Instrument der Währungspolitik", erklärte er laut einer Mitteilung in Berlin. In diesem Jahr lägen die aufs Jahr gerechneten Abschlüsse zwischen 2 und 3 Prozent. Maßgeblich für die Höhe der Abschlüsse seien die unterschiedlichen Situationen in den Branchen und Betrieben.

Hinter den Einschätzungen der Währungshüter steht die Erwartung, dass hohe Lohnabschlüsse in der wichtigsten europäischen Volkswirtschaft die derzeit ungewollt niedrigen Verbraucherpreise im Euroraum treiben könnten. Das müsse aber nicht zwangsläufig so kommen, warnte Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Gerade in einem Umfeld mit verhaltenen Wachstumsaussichten und wachsenden Risiken sei nicht zu erwarten, dass die Unternehmen steigende Löhne einfach auf die Preise aufschlagen könnten. Steigende Lohnkosten gingen dann vor allem zulasten der Unternehmensgewinne und damit der künftigen Investitionen. Deren Ausbleiben koste mittelfristig Wachstum und damit die Lohnsteigerungen von Morgen, erklärte Lesch.

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